Novellen und Schilderungen by Ludwig Steub
Autor:Ludwig Steub
Format: epub
Tags: Novelle
Herausgeber: Verlag von C. P. Scheitlin
IV.
Das Fräulein aber nahm einen frischen Trunk aus dem Brunnen, strich sich das kalte Wasser über die Stirne und blickte wieder gefaÃt um sich her. Und als sie den bleichen Ritter mit gebrochenen Augen auf der Treppe liegen sah, fuhr sie sich gedankenvoll über die Augen und sagte leise vor sich hin:
»Schade um den Jüngling, so edel und so schön! Wohl habe ich eine Missethat verübt; vielleicht ist sie aber noch gut zu machen.«
Alsbald winkte sie das Gesinde herbei, den Kastellan, den Burgpfaffen und die Knechte, welchen sie sagte: »Thut was ich Euch befehle und fürchtet nichts! Dem Ritter wascht das Blut ab und bringt ihn hinauf auf ein weiches Lager. Mir aber weist den Zwinger, damit ich den Löwen versorge.«
Und so geschah es auch. Das Fräulein führte den getreuen Arslan schmeichelnd von dem blutenden Renner weg und schloà ihn in den Burgzwinger; den Falken hieà sie wieder seewärts fliegen und dann ging sie über den Burghof, wo noch das Thor offen stand und die Zugbrücke winkte, die der Burgwart wegen seines Schreckens noch nicht aufgezogen hatte, so daà sie ins Feld hinaussah und auf die dunkeln Bäume des Hochwaldes. Doch gab sie jetzt nichts mehr für ihre Freiheit, sondern eilte hinauf in das Gemach, wo Herr Haymon, den Leib von Blut und Staub gereinigt, im weiÃen Hemde auf sein Lager hingebreitet war, noch immer todtenstill und bleich und gebrochenen Auges. Der Kaplan und der Burgvogt waren bemüht, die Wunden zu verbinden, aber das Mädchen nahm ihnen geschäftig das Linnen aus den Händen und bat sie, die Pflege ihr zu lassen; sie sey in aller Arzneikunst wohl erfahren. Von den verschiedenen Salben, die der Burgpfaff herbeibrachte, und mit denen er schon manchen Hieb geheilt zu haben meinte, wählte sie verständig die besten aus und legte den Verband so geschickt über des Ritters Schultern und Brust, daà die beiden Gehülfen über ihre Kunstfertigkeit staunten und nicht wuÃten, was sie denken sollten. Endlich hieà sie die würdigen Männer gehen, da sie den Herrn jetzt selbst behüten werde; sie hoffe, es sey noch Leben in ihm und wenn dies, so müsse es bald wieder hervorbrechen. Zugleich trug sie ihnen auf, das Zelt im Walde bewachen, die grüne Schlange nicht stören und das Buch des weisen Meisters Averroes so schnell als möglich auf die Burg bringen zu lassen. Die würdigen Männer gingen und beriethen sich noch lange mit dem Hausgesinde, aber da war Niemand, der die Geschichte erklären konnte oder sagen, was der Löwe bedeute oder das morgenländische Fräulein oder der verwundete Ritter.
Unterdessen saà das Mädchen oben im stillen Gemache des Jünglings und pflegte ihn. Zum hohen Fenster sah der Mond herein und auf dem Tische stand eine Lampe. Während diese ihr wankendes Licht auf den Ritter warf, schien es dem Mädchen öfter, als zucke er mit den Augen, als gingen die Lider auf, als fielen sie wieder ermattet zu. Sie flüsterte, sie sprach leise seinen Namen, aber noch hörte er keinen Laut. Sie blies unmuthig die Lampe aus, so daà der Mond mit vollem Scheine auf das ruhige Gesicht des Todten schien.
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