Nordland-Saga 4 - Der Zug der Sklaven by Andreas Bull-Hansen

Nordland-Saga 4 - Der Zug der Sklaven by Andreas Bull-Hansen

Autor:Andreas Bull-Hansen
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3-442-24268-1
veröffentlicht: 2011-03-14T04:00:00+00:00


Nachdem Ulv und Brage sich satt gegessen hatten, legte Brage sich neben die Feuerstelle und breitete eine Decke über sich. Er faltete die Hände über dem Bauch und seufzte. Kurz darauf hörte man ihn schnarchen. Ulv griff nach seinem Stock und stemmte sich hoch; er musste noch einmal an die frische Luft, ehe er sich schlafen legte.

Loke starrte den Fluss hinunter, als Ulv über die Türschwelle trat. Der Weißbärtige schien ihn nicht zu bemerken, also stieg Ulv die Treppe hinab und ging weiter bis ans Flussufer. Die Wassermassen wälzten sich vorbei, und von den Hängen der Flusssenke fegten kalte Windböen herunter, die Vorboten von Schnee und Frost. Im Norden war sicher schon der erste Schnee gefallen, dachte Ulv und schaute zum Himmel. Der Orion wurde als Wintersternbild sichtbar. Der fünfte Neumond war vorbei, seit er in der Siedlung am See gefangen worden war, und in dieser Zeit war mehr geschehen als in den letzten vierzig Jahren zusammen.

Ulv rupfte eine Hand voll Blätter von einer niedrigen Birke und stellte sich in den Windschatten eines der vielen Ruderboote. Seine Wunde schmerzte, als er in die Hocke ging. Nur wenige Schritt von ihm entfernt strömte der Fluss nach Westen, genauso schwarz wie der Nachthimmel. Als die Wolken für einen kurzen Augenblick den Mond freigaben, spiegelte sich die Silbersichel im Wasser. Gleich darauf war der Mond wieder hinter den Wolken verschwunden. Vielleicht würde er bald das Tal sehen, das seine Träume ihm gezeigt hatten.

Ulv erhob sich und humpelte zurück zum Wirtshaus, die Dunkelheit unten am Fluss war ihm unheimlich. Als er sich die letzten Stufen der Treppe hinaufquälte, reichte Loke ihm die Hand und lud ihn ein, sich zu ihm auf die oberste Stufe zu setzen. Ulv folgte seiner Bitte, und der Waldgeist legte lächelnd die Hand auf seine Schulter.

»Morgen tretet ihr eure Flussfahrt an«, sagte Loke und strich ihm über das lange Haar. »Die Lehrlinge und ich wünschen euch Glück und eine gute Reise, aber wir werden euch nicht begleiten.«

Ulv sah ihn fragend an. Der Weißbärtige hatte sie den weiten Weg durch den Westwald bis hierher zu dem Fluss geführt. Sie waren aus dem Dickicht aufgetaucht wie aus dem Morgentau geborene Geister. Ulv wollte nicht glauben, dass sich ihre Wege so schnell wieder trennen sollten.

»Es muss so sein.« Loke setzte sich neben ihn. »Ber-Mar ist kein Ort für uns Waldgeister.«

»Aber ich habe nicht vor…« Ulv schaute hinter sich, aber Seon und Brage lagen still neben der Feuerstelle. »Ich werde nicht nach Ber-Mar gehen«, flüsterte er. »Dort habe ich nichts verloren. Ich will in die Berge gehen, so wie du es gesagt hast. Ich will nach dem Tal aus meinen Träumen suchen.«

Loke wiegte den Kopf und lächelte. »Es ist, als hörte ich deinen Vater reden. Das Tal der Träume… Was würde ich darum geben, wenn jetzt der alte Turvi hier wäre. Und Hagdar. Sie wären stolz auf dich, Ulv.«

Ulv verschränkte die Arme vor der Brust und schob die Hände in die Achselhöhlen, weil der Wind so kalt war. Loke sprach von Menschen mit fremden Namen, und doch kamen sie ihm bekannt vor.



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