Nikolai Roerich by Ernst von Waldenfels
Autor:Ernst von Waldenfels [Waldenfels, Ernst von]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-14T00:00:00+00:00
Kapitel 8
Tanz mit dem Teufel
Nikolai Roerich hatte bei seiner Einreise in die Sowjetunion einen sowjetischen Pass bekommen. Auch wenn er dies, wie auch jegliche sowjetische Sympathien, zeit seines Lebens abstreiten sollte. In einem Tagebucheintrag berichtet Sinaida Lichtmann, gleich bei Grenzübertritt habe man ihm einen sowjetischen Reisepass überreicht, weiterhin gibt es das Schreiben der sowjetischen Botschaft an Dschamsarano, in dem Nikolai Roerich als sowjetischer Künstler angekündigt wird, und schließlich noch das Aussageprotokoll Rjabinins nach seiner Verhaftung 1930, in dem gleichfalls steht, der Künstler habe einen sowjetischen Pass gehabt. Ohne einen solchen Pass wären seine Reisen innerhalb der Sowjetunion und sein Grenzübertritt in die Mongolei auch nur schlecht vorstellbar gewesen, denn worüber er an Papieren verfügte, hätte ihm im sowjetischen Machtbereich kaum etwas genützt.
Nikolai Roerich war staatenlos, und bis zur Ankunft in der Sowjetunion besaßen er und seine Familie nur einen 1919 in Stockholm ausgestellten Pass der weißen Exilregierung, eine französische Carte d’identité, die keine Gültigkeit im Ausland hatte, und einen sogenannten Nansen-Pass. Dies war ein vom Völkerbund ausgestelltes Dokument für Staatenlose, das seinem Inhaber gewisse begrenzte Rechte gab, die sich jedoch keinesfalls mit denen vergleichen ließen, die jemand hatte, hinter dem im Ausland eine richtige Botschaft stand.
Nikolai Roerich wäre nicht bei Verstand gewesen, hätte er bei Einreise in die Sowjetunion noch den Pass der weißen Exilregierung mit sich geführt. Blieb noch der Nansen-Pass, der ihm zwar gewisse Rechte einräumte, jedoch nicht in der Sowjetunion, die weiße Emigranten immer noch als ihre Staatsbürger begriff. Mit ihrer Einreise in das 'Vaterland der Werktätigen' waren die Roerichs ein großes Risiko eingegangen.
Um das zu begreifen, muss man sich vor Augen führen, dass ihm die sowjetischen Behörden mit dem Reisepass zwar ein Papier verschafft hatten, von dem ein normaler Sowjetbürger nur träumen konnte, damit Nikolai Roerich aber auch, zumindest theoretisch, allen Beschränkungen unterwarfen, die für Sowjetbürger galten. Das hieß, es gab keinen Grenzübertritt ohne Genehmigung. Hier lag einer der Hauptgründe, warum die Roerichs im 'Vaterland der Werktätigen' äußerste Vorsicht walten ließen. Nicht nur bestand die Gefahr, für immer im roten Schambala bleiben zu müssen, gegen den Wunsch Moskaus war an eine Reise nach Tibet gar nicht zu denken.
Wie also hatten es die Roerichs geschafft? Wir erinnern uns, nur zwei Jahre zuvor waren Boki und Bartschenko mit ihrer Tibet-Expedition am Außenministerium gescheitert. Auch der berühmte Forschungsreisende Koslow, ein Mann, dessen Bedeutung nur wenig hinter der von bekannteren Männern wie Przewalski zurücksteht, sollte nach der Revolution nie wieder Gelegenheit bekommen, Zentralasien jenseits des sowjetischen Einflussbereiches zu erkunden. Jeder seiner Anträge, aus der Mongolei Richtung Tibet aufzubrechen, wurde abgelehnt, da er als bourgeoises Element galt. Aber Nikolai Roerich sollte Erfolg haben, wo die anderen gescheitert waren.
Einen Hinweis, wer den Roerichs half, findet man darin, dass der sowjetische Agent Pankratow in Peking über Nikolai Roerich erstaunlich gut informiert war. Einen weiteren Hinweis liefern die Waffenscheine mit ihren eindrucksvollen Stempeln, die ihnen die GPU in Ulan Bator ausstellte und die man heute noch im Archiv einer amerikanischen Privatuniversität bewundern kann.
Es gibt noch mehr Belege, dass die Roerichs mit der sowjetischen Geheimpolizei in enger Verbindung standen.
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