Niemandsland by Rhidian Brook
Autor:Rhidian Brook [Brook, Rhidian]
Die sprache: deu
Format: mobi
Herausgeber: C. Bertelsmann
veröffentlicht: 2014-01-19T23:00:00+00:00
8
Das Abendessen von Lubert und Frieda bestand aus gekochten Eiern und Schwarzbrot, bestrichen mit Margarine von Peterson & Johannsen. Lubert staunte über die menschliche Fähigkeit im Allgemeinen und seine eigene im Besonderen, sich widrigen Umständen anzupassen und seine Erwartungen danach auszurichten. Selbst im letzten, verzweifelten Kriegsjahr wäre ihm eine solche Mahlzeit armselig vorgekommen; jetzt genoss er jeden Krümel. Sogar die glitschige Margarine schmeckte ihm.
»Frieda? Könntest du mir bitte die Margarine rüberreichen?«
Frieda schob den Tontopf über den Tisch und tunkte dann wieder ihr Brot in das obere Ende ihres gekochten Eis. Sie saß mit gebeugten Schultern da, das geflochtene Haar und die Hände noch staubig vom Schutträumen. Das Schweigen während der Mahlzeiten war so normal geworden, dass Lubert es sich angewöhnt hatte, dabei zu lesen, was Claudia sehr missbilligt hätte. Ein weiteres Zeichen, dass der Einfluss seiner verstorbenen Frau am Schwinden war. »Stefan – willst du dich nicht zu uns gesellen?«, hätte sie mitten in einer Mahlzeit gefragt, wenn er wieder einmal nur körperlich anwesend war, da in die Zeitung vertieft. »Ist die Welt streitender Männer wirklich interessanter als ich?«
Jetzt war Die Welt unter seinem Teller ausgebreitet, aufgeschlagen beim Bericht über die Zahl der Deutschen, die in der britischen Zone in Lagern lebten. Seit er Mrs. Morgan so draufgängerisch geküsst hatte, wartete er auf den Räumungsbescheid. Sie hatte ihm zwar schnell verziehen, aber er glaubte zu spüren, dass sich unten etwas zusammenbraute. Vielleicht ähnelte er seiner Tochter mehr, als er wahrhaben wollte. Er und sie waren beide eigensinnig und ein wenig unbesonnen. Und wie sie hatte er wegen seiner Taten wenig Gewissensbisse.
»Ich habe gestern Abend gesehen, wie jemand in Petersons Haus einzubrechen versucht hat«, sagte Lubert zu Frieda. Der Gedanke an Claudia brachte ihn dazu, sich um seine Tochter zu bemühen. »Erst wollte ich ihn aufhalten, dann dachte ich, nein, soll er das Haus doch nutzen. Alle diese leer stehenden Häuser sind ein Skandal. Das ist nicht sinnvoll.«
Frieda aß weiter, ohne ihn anzusehen.
»Der arme Peterson«, sagte er. Er bestrich eine weitere Brotscheibe mit der Margarine. Wenn er es als Degradierung empfand, in Friedrichs winziger alter Küche zu essen, rückte der Gedanke an seinen Nachbarn, der in irgendeiner Wellblechbaracke hauste, die Dinge wieder in die richtige Perspektive. Der Margarinemagnat hatte einmal einen Rolls-Royce besessen, ein Rennpferd und eine riesige Segelyacht, mit der er die Elbe auf und ab fuhr wie mit einer zweiten »Admiral Graf Spee«. Sein herrschaftlicher Wohnsitz war das erste Haus an der Elbchaussee, das beschlagnahmt worden war, zusammen mit seinem Boot, seinen Autos, seinem Pferd und seinem Stolz. Nicht nur hatte er die Demütigung erleiden müssen, in die Baracken von Hamm umgesiedelt zu werden. Seine Villa stand neun Monate nach der Beschlagnahme immer noch leer; anscheinend hatten die Briten dort niemanden unterbringen können oder das Haus schlichtweg vergessen.
»Wie geht’s beim Trümmerräumen?«
»Das ist harte Arbeit.«
»Deine Mutter wäre stolz auf dich.«
»Hast du’s vergessen? Sie ist tot.«
»Das habe ich nicht vergessen, Friedi. Wie könnte ich? Du weißt, dass ich monatelang nach ihr gesucht habe, als ich es noch nicht akzeptieren wollte. Jetzt habe ich es akzeptiert.
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