Niemandsland by Muller Marcia

Niemandsland by Muller Marcia

Autor:Muller, Marcia [Muller, Marcia]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


15

Ich warnte mich selbst vor vorschnellen Schlüssen, ging in den Hof zurück und sah mich noch einmal um. Die Anzeichen, die auf einen Kampf schließen ließen, konnten auch durch Hast oder eine Ungeschicklichkeit verursacht worden sein. Der Umschlag mit den leeren Blättern mußte nicht zwangsläufig etwas mit Ong zu tun haben, sondern konnte ebensogut für eines seiner abwesenden Kinder durch das Torgitter geworfen worden sein. Und die Panik in seiner Stimme? Konnte ich mich da verhört haben?

Nein, dachte ich, das war nicht möglich.

Ich ging über den Hof zurück ins Haus. Dort herrschte die lastende Stille, wie man sie nur in leeren Häusern spürt. Zwar war ich sicher, daß Ong nicht da war, dennoch rief ich nach ihm. Meine Stimme hallte von den Wänden der Diele wider.

Und was sollte ich nun tun? 911 anrufen? Was sollte ich sagen? Es war kein Fall für die Polizei, falls Ong nur einfach mit seinem Besucher davongefahren war. Und wenn ich die Vermutung äußerte, er könnte gekidnappt worden sein, würde man mich fragen, wie ich darauf käme.

Ein etwas aufgewühlter Boden, ein umgeworfener Blumentopf, der Umschlag und die Panik in Ongs Stimme, die nur ich gehört hatte: Das war nicht gerade viel. Die Polizei würde mir raten, vierundzwanzig Stunden zu warten, und wenn er dann noch immer nicht zurück wäre, einen Verwandten zu veranlassen, eine Vermißtenanzeige zu erstatten.

Außerdem, sobald die Polizei die ganze Geschichte kannte, würde sie eher annehmen, Ong sei aus eigenem Antrieb verschwunden, vielleicht, weil er meine Fragerei leid war oder weil ihm die Richtung unbehaglich wurde, in die unser Interview lief. Es schien zwar widersinnig, eine Fremde im unverschlossenen Haus zurückzulassen, aber denkbar wäre es schon. Und wenn es der Fall wäre und er käme zurück und sähe, daß ich die Polizei gerufen hätte, geriete ich in Schwierigkeiten. Er war ein Mann, der Aufsehen bei den Behörden vermied. Es würde ihm Ärger machen, und er würde es als ein Eindringen in seine Privatsphäre empfinden — Gegebenheiten, die Leute wie Ong wohl veranlassen würden, gleich nach ihren Anwälten zu...

Ich ging durch die Diele und schob die Doppeltür auf. Vor mir lag ein Wohnzimmer — es war der Raum, dessen Galerie ich vom Studio aus gesehen hatte. Auf einer Anrichte gleich neben der Tür stand ein Telefon. Ich nahm den Hörer auf und rief All Souls an.

Ted meldete sich und sagte, Hank spreche auf einer anderen Leitung. Ich las ihm die Nummer vor, die unterhalb der Tastatur meines Apparats stand, und ließ ihn meinen Boss bitten, er möge zurückrufen. Dann hängte ich ein und fing mit nervöser Hast an, das Haus zu erforschen.

Das Erdgeschoß war ausschließlich Wohn- und Wirtschaftsbereich, aufwendig möbliert, aber wieder ohne jeden Hinweis darauf, daß hier eine chinesische Familie wohnte. Eine zweite Wendeltreppe führte zu einem Flur ins erste Untergeschoß, von dem drei Schlaf- und Badezimmer und ein Elternschlafzimmer abgingen. Ich ging schnell daran vorbei und kam zu einer weiteren Treppe, die mich noch ein Geschoß tiefer führte. Von der oberen Terrasse hatte man davon nichts gesehen. Die Zimmer hier waren eindeutig Kinderzimmer.



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