Niamhs Erbe - Schattenkuss: Fantasy Romance (German Edition) by Natalie Salkin

Autor:Natalie Salkin [Salkin, Natalie]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-01-29T23:00:00+00:00

23.

„Was zum Teufel geht hier eigentlich vor?“ Jake baute sich vor Jaro auf und funkelte ihn zornig an.

Seufzend legte Jaro das Buch zur Seite. Er konnte sich sowieso nicht richtig konzentrieren. Normalerweise gab es für ihn nichts Entspannenderes als ein gutes Buch, aber was war derzeit schon normal?

„Ich steh grade auf dem Schlauch, also klär mich auf“, sagte Jaro leicht gereizt.

Jake schob einen weiteren Sessel vor den Kamin. Er warf noch ein Holzscheit hinein und blickte ein paar Sekunden in das prasselnde Feuer, bevor er sich endlich setzte. Die Bibliothek war auch schon immer sein liebster Rückzugsort gewesen. Wie viele Stunden hatte er hier mit Jaro schon vor dem Kamin gesessen und über Gott und die Welt diskutiert. Bis jetzt waren sie immer ehrlich zueinander gewesen. Wahrscheinlich hielt ihre Freundschaft deshalb auch über all die Jahre. Unwillig schüttelte Jake den Kopf. Er hoffte sehr, dass Jaro ihn auch diesmal nicht belog.

„Erzähl mir von Luce“, bat er leise. Sein Blick war immer noch stur auf die züngelnden Flammen gerichtet.

„Was willst du wissen?“

„Die Wahrheit, mein Freund, nur die Wahrheit.“

Jaro räusperte sich. Was konnte er Jake gefahrlos anvertrauen? Nicht, dass er je an seiner Loyalität zweifeln würde, aber wem galt sie, wenn es hart auf hart kam? Jake war schließlich kein Einwohner Avalons. Für ihn galten nicht die gleichen Gesetze.

„Manchmal gibt es verschiedene Wahrheiten. Nein, warte, unterbrich mich bitte nicht, Jake. Es klingt vielleicht merkwürdig, aber genauso ist es in dem Fall. Es gibt eindeutig verschiedene Aspekte und alle sind sie wahr, auch wenn Luce zum Beispiel etwas ganz anderes als wahr bezeichnen würde.“

„Jaro, was zum Henker redest du da für ein geschwollenes Zeug? Wir sind doch hier nicht in Oxford bei einer Diskussionsrunde. Sag mir einfach, warum das Mädchen eingeschlossen wird. Oder warum Yuna heute den Gong geschlagen hat. Was glaubst du, was ich vorhin mit Mrs. Haggerty für einen Spaß hatte. Die fand es nämlich gar nicht lustig, das kann ich dir sagen. Es gab weder einen Blitzkrieg noch eine Sturmflut, also absolut keinen Grund für den Gong. Du kennst ja ihre Predigt.“

Oh ja, Jaro konnte sich noch gut daran erinnern. Schmunzelnd dachte er an den verhängnisvollen Tag zurück, an dem Lizzy, Jakes jüngere Schwester, ihn dazu angestiftet hatte, den Gong zu schlagen. Jaro wusste damals noch nicht, dass es verboten war, den Gong zu benutzen. Mrs. Haggerty fand natürlich raus, wer der Schuldige war, und so durfte er sich fast eine halbe Stunde lang eine Strafpredigt anhören. Zwei Tage hatte er nicht mehr mit Lizzy gesprochen. Länger konnte er ihrem Charme nicht widerstehen. Aber um den Gong machte er seitdem immer einen großen Bogen. Yuna wusste genau, dass der Gong nur im äußersten Notfall eingesetzt werden durfte. Jakes Frage nach dem Warum war also durchaus berechtigt. Aber leider hatte Jaro dafür auch keine Erklärung. Zumindest jetzt noch nicht.

„Ich habe keine Ahnung, warum Yuna im Moment so durch den Wind ist. Vielleicht liegt es daran, dass wir Avalon so nah sind und doch noch nicht hin dürfen. Der Sog ist hier immer besonders stark.

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