Neues deutsches Maerchenbuch by Ludwig Bechstein
Autor:Ludwig Bechstein [Bechstein, Ludwig]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-02T23:00:00+00:00
Die drei Wünsche
Zu den Zeiten, als der liebe Gott bisweilen noch sichtbarlich auf Erden wandelte, um die Menschen zu prüfen, und niemand weiß, ob er dies nicht noch heute tut, kam derselbe einmal in Gestalt eines armen, alten und gebrechlichen Mannes in ein Dorf und vor das Haus eines Reichen, und bat um ein wenig Trank und Speise und um ein Nachtlager, denn der Abend war da und die Nacht nicht fern, und das Wetter war wild und stürmisch.
Da trat der Reiche spottend aus seinem stattlichen Hause, und sprach zum lieben Gott: »Dumm bist du nicht, Alter! Hast etwa auf einer hohen Schule studiert? Meinst hier sei ein Wirtshaus oder ich ein Garkoch, oder meinst, hier sei ein Spittel? Denkst etwa, hier sei eine Bettelmannsherberge? Nein, ich sage Dir, hier ist Bettelmannsumkehr. Allons marsch! Gleich packe dich vom Hofe, oder ich pfeife dem Hunde, du alter Tagedieb, du Strolch und Stromer, und untersteh dich nicht, noch einmal in meinen Hof hereinzutreten!«
Mit einem Seufzer wendete sich der Arme vom Hofe des reichen, geizigen und hartherzigen Mannes hinweg, und wankte weiter. Da rief ihn von drüben aus einem kleinen Häuslein die Stimme eines Mannes an. »Na Alterchen! wo willst denn du hin?« fragte der Häusler, voll Mitleid im Tone, und der Arme antwortete: »Ach, nach Nirgendheim! Nirgend hab ich ein Heim! Aber Hunger hab ich und Durst hab ich, und müde bin ich auf den Tod!«
»So komme doch herüber, Alter, zu mir!« rief wieder der Häusler. »An dem, was dir mein Nachbar da drüben gegeben hat, wirst du doch nicht zu schwer zu tragen haben. Ich bin freilich selbst ein armer Hach, aber ein Stück Brot hab ich noch, und einen Schluck Schnaps kannst du auch haben, und einen Sack voll Waldmoos zum Nachtlager, wenn du damit zufrieden bist!«
»Ihr seid sehr gütig! Ich nehm es an, und Gott gesegnet's Euch!« sagte der liebe Gott, und schlich hinüber zu dem Häusler, und aß mit ihm, und trank mit ihm, und ruhete sich aus, und weil es noch nicht Schlafenszeit war, so setzten sich die beiden Männer vor das Haus, denn der liebe Gott hatte das wilde Wetter schnell vergehen lassen, und hatte eine klare milde Mondnacht geschaffen, und ließ das Firmament leuchten, und seine Sternenheere, die ihn ewig preisen, voll Pracht über der dunkeln Erde wandeln.
Und da saßen die beiden Männer, der alte und der junge, der liebe reiche Gott und der arme Häusler, beieinander auf der steinernen Bank vor dem Häuslein, und sprachen miteinander.
Drüben aber, im Schatten, sah der reiche Mann zum Fenster heraus, plätzte aus einer großmächtigen Tabakspfeife, und murmelte und grämelte: »Da hat der Lump, mein Nachbar, da drüben, richtig den alten Strolch aufgenommen und gibt ihm Quartier, und hat doch selbst nichts zu beißen und zu brechen. So was Dummes lebt nicht! Aber ich sage es ja immer: Gleich und gleich gesellt sich gern; gleiche Lumpen, gleiche Lappen. Eigentlich gehört sich's gar nicht, so einen hergelaufenen Landstreicher aufzunehmen, denn man weiß nicht, was hinter ihm steckt und ob nicht
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