Neue Fischer Weltgeschichte Band 19. Afrika bis 1850 by Adam Jones
Autor:Adam Jones [Jones, Adam]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104024196
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2016-02-24T16:00:00+00:00
Kolonisierung
Der Kolonialismus ist eine spezifische Form des Imperialismus und kann verstanden werden als »Aufbau eines Apparates der administrativen Kontrolle durch einen Staat über Völker, die als anders definiert werden«.[181] Ausgehend von einem solchen Kolonialismusbegriff gibt es vor 1850 relativ wenige kolonisierte Völker in Afrika. Natürlich ist dabei der Umfang der ausgeübten Kontrolle entscheidend. In gewisser Weise könnte man auch die Bantu-Expansion und ähnliche Expansionen afrikanischer Gesellschaften als einen Kolonisierungsprozess beschreiben – allerdings als einen, in dem viele, die »als anders definiert« wurden, im Laufe der Zeit integriert wurden. Üblicherweise jedoch wird der Begriff Kolonialismus nur für die Kolonien verwendet, die von europäischen Mächten im späten 19. Jahrhundert auf afrikanischem Boden geschaffen wurden. Dabei ist es wichtig, auf eine präzise Definition zu achten. Die bereits beschriebenen Forts an der Goldküste oder an der Küste Ostafrikas waren zum Beispiel keine Kolonien im oben beschriebenen Sinne, zumindest nicht vor dem 19. Jahrhundert. Auch ein wichtiger Umschlagplatz des atlantischen Sklavenhandels wie Ouidah im Süden des heutigen Benins mit seiner von den Portugiesen errichteten Festung kann demnach nicht als Kolonie bezeichnet werden.
Anders war dies am Kap der Guten Hoffnung, wo sich der von der VOC im Jahre 1652 etablierte Handelsposten innerhalb eines Jahrzehnts in ein administratives Zentrum verwandelt hatte und sich daraufhin europäische Siedler am Kap niederließen, so dass sich eine Kolonie herausbildete – auch wenn es sich hier um die Kolonie einer Handelskompanie und nicht eines Staates handelte. Ebenso lässt sich im Falle Angolas ab etwa 1630 von einer Kolonie der portugiesischen Krone reden.
Die um 1800 neu gegründeten Kolonien scheiterten zumeist innerhalb weniger Monate, aber zwei von ihnen – Sierra Leone und Liberia – überlebten. In beiden Fällen waren die Siedler afrikanischer Abstammung. In Sierra Leone, wo man ab 1787 zunächst die black poor von London und dann zwei »schwarze« Gruppen aus den USA und Jamaika angesiedelt hatte, übernahmen ab Ende der napoleonischen Kriege befreite Sklaven (recaptives bzw. liberated Africans) die dominierende Rolle. Diese ehemaligen Sklaven waren von der britischen Marine im Rahmen des seit 1808 geführten Kampfes gegen den atlantischen Sklavenhandel befreit worden, indem die Schiffe, auf denen sie in die Neue Welt transportiert werden sollten, abgefangen worden waren. Da Sierra Leone wegen seines natürlichen Hafens von Großbritannien zum Marinestützpunkt auserkoren worden war, erhielt die Siedlung im Jahre 1808 als erster Ort in Afrika – neben der Kapkolonie – einen britischen Gouverneur.
Die Gouverneure von Sierra Leone förderten die sukzessive Einführung von Missionsschulen, vor allem durch die anglikanische Church Missionary Society (CMS) und dann auch durch die Methodisten. Zugleich wurden Dörfer auf der Halbinsel um Freetown gegründet, die englische Namen (Leicester, Wilberforce, Charlotte) trugen und einem europäischen Superintendenten unterstanden. Hier wurden viele der recaptives angesiedelt. So entwickelte sich auf afrikanischem Boden ein Schmelztiegel für ehemalige Sklaven heterogener Herkunft, die zwar mit vielen Aspekten britischer Kultur vertraut gemacht wurden, aber andererseits oft ihre eigenen Vorstellungen und kulturellen Eigenarten bewahren konnten.
Die Kolonie von Liberia entstand etwas später. Aus einem Bündnis von Abolitionisten in den Nordstaaten und Sklavenbesitzern in den Südstaaten der USA bildete sich die American Colonization Society (ACS).
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