Nette Nachbarn by Muller Marcia

Nette Nachbarn by Muller Marcia

Autor:Muller, Marcia [Muller, Marcia]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Als ich in die Stadt zurückkam, fuhr ich als erstes ins Tenderloin und parkte auf demselben Platz in der Eddy Street wie schon zuvor. Ein feiner Sprühregen vernebelte die Autoscheiben, aber noch regnete es nicht stark; ich ging zu dem Gebäude, in dem sich Carolyn Buis Büro befand, machte einen kleinen Umweg, um einen Blick auf das Crystal Palace Theatre zu werfen. Nachdem ich mit Knox gesprochen hatte, war ich neugierig geworden.

Es handelte sich um ein massives, weißes Gebäude, dessen Fassade schmutzig verschmiert und angefressen war. Die Markise über dem Eingang, wo früher Hunderte von farbigen Glühbirnen geleuchtet hatten, war jetzt dunkel, die Birnen zerbrochen. Um das Dach verlief ein Sims mit Wasserspeiern und anderen phantastischen Biestern, aber viele von ihnen waren schon zerbröckelt, und über dem Fußweg war ein Gerüst errichtet worden, um die Fußgänger zu schützen. Das Gerüst selbst war gepflastert mit alten Zetteln wegen verschwundener Hunde, Aufrufen zu politischen Versammlungen und anderen Veranstaltungen. Auch Graffitis waren dort versprüht: Schwule an die Macht; kein Vietnam in Zentralamerika; Pat liebt Walt; Tod für alle. Ich starrte das letzte an, schüttelte dann den Kopf. Letztendlich würde der Wunsch des Graffiti-Künstlers sich ja doch erfüllen.

Ähnlich schwarze Gedanken verdüsterten meine Stimmung, als ich weiter den feuchten Bürgersteig entlangging. Jetzt hatte es richtig angefangen zu regnen, und ich kam an Pennern vorbei, die in Hauseingängen Schutz suchten, manchmal auch unter den Bänken, die als Teil des Verschönerungsprojekts der Market Street hier aufgestellt worden waren. Die wenigen Fußgänger, die es gab, hasteten dahin, von Schirmen oder Hüten gegen den Guß geschützt. Busse und Taxis rasten vorbei, wirbelten Wasserwellen auf. Als ich zu dem alten Haus kam, in dem sich das Refugee Assistance Center befand, stürzte ich in die Halle, riß meinen schlappen, roten Hut vom Kopf und wischte über meine Wildlederjacke, die jetzt aussah wie ein Teil einer alten gefleckten Kuh.

Ein Sicherheitsbeamter an der Rezeption notierte sich meinen Namen und rief oben an. Dann wies er auf die Reihe von Fahrstühlen im Hintergrund. Erleichtert, weil Carolyn noch im Büro war, fuhr ich in den dritten Stock und ging dort den Flur bis zum Ende. Der Empfangsraum des Centers war fröhlich — jede Wand war in einer anderen fröhlichen Farbe gestrichen und mit Postern behängt — und Kinderspielzeug lag auf dem ovalen Fleckerlteppich verstreut. Ich war schon früher während der Geschäftszeit hier gewesen und hatte zugesehen, wie die Flüchtlingskinder herumkrabbelten und glücklich spielten, während ihre Eltern sich mit den Sozialarbeitern des Zentrums über so lebenswichtige Dinge wie Essen, Unterkunft und medizinische Versorgung unterhielten.

Carolyns Stimme rief mich aus einem der Zimmer, die von der Empfangshalle abgingen, und ich ging zu ihr. Sie saß an ihrem Schreibtisch, die Füße auf eine herausgezogene Schublade gestützt, das zarte, ovale Gesicht müde und verzerrt. »Ich hatte dich schon fast aufgegeben«, meinte sie.

Ich zog die Jacke aus und hängte sie zum Trocknen über einen Stuhl. »Ich hoffe, du bist nicht meinetwegen hier geblieben. Wenn du nicht im Büro gewesen wärest, hätte ich dich daheim angerufen.«

»Nein, wie ich schon am Telefon gesagt habe, ich mußte ohnehin noch arbeiten.



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