Nebelriss by Markolf Hoffmann

Nebelriss by Markolf Hoffmann

Autor:Markolf Hoffmann [Hoffmann, Markolf]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-04-20T22:00:00+00:00


KAPITEL 11 - Sand

Die Leichen waren grauenhaft zugerichtet. Neben den zerschundenen Körpern lagen abgeschlagene Köpfe, abgehackte Arme und Beine; manche waren gar bis zur Unkenntlichkeit zerstückelt. Der glühende Wüstenwind hatte über die abgetrennten Glieder eine feine Sandschicht gebettet. Sie glich einer dünnen, gelben Haut und verlieh den Leichen ein fremdartiges Aussehen.

»Welch ein abscheuliches Gemetzel«, stieß Baniter Geneder hervor. Fassungslos starrte er von seinem Pferd auf die verstümmelten Körper herab, die teils am Wegrand, teils auf der steinernen Straße lagen. »Was kann einen Menschen dazu treiben, solche Grausamkeiten zu begehen!«

»Unbändiger Hass«, antwortete Mestor Ulba leise. Der Siegelmeister hatte sein Pferd neben Baniter zum Stehen gebracht. Vorsichtig wies er auf eine der Leichen. »Erkennt Ihr den blauen Waffenrock, den dieser Mann trägt? Diese Toten waren Mönche des Bena-Sajif-Ordens, Krieger des königlichen Heeres; vermutlich ein Trupp Wachsoldaten, die diesen Straßenabschnitt schützen sollten. Sie müssen in einen Hinterhalt geraten sein.« Nachdenklich blickte Baniter den Siegelmeister an. »Ihre Gegner müssen ihnen zahlenmäßig weit überlegen gewesen sein. Soweit ich sehe, ist keiner der Angreifer unter den Toten.«

Mestor Ulba nickte. »Vermutlich waren es Stammeskrieger, die diesen Wachtrupp überfielen. In der praatischen Wüste leben wilde Stämme, die sich der arphatischen Herrschaff nicht beugen. Seit jeher gilt dieser Teil der Wüste als unregierbar; ein karges Land, bewohnt von Nomadenvölkern und Reitersippen. Sie wurden über Jahrhunderte hinweg verfolgt und geknechtet, und so verspüren sie einen glühenden Hass auf die arphatischen Siedler.«

»Ich wusste nicht, dass innerhalb des arphatischen Territoriums Nomadenstämme ihr Unwesen treiben«, erwiderte der Fürst, »zumal hier, auf der bedeutendsten Straße des Königreiches.«

Der Weg der Pracht verband das palidonische Hochland mit Praa, der sagenhaften Hauptstadt des arphatischen Reiches. Auf der uralten Straße waren einst die Heere der Arphater in den Süden vorgedrungen. In Sithar war der Weg der Pracht noch heute in Gebrauch; er verband die Städte Thax, Nandar und Vara. In der Wüste Praatiens fand er seine Fortsetzung, und hier war auch seine alte Bedeutung zu erkennen. Als fünfzehn Schritt breiter Streifen schlug er sich durch das Land - eine Heerstraße aus großen Steinblöcken, auf der ein berittener Trupp rasch voranpreschen konnte. Die Straße war erhöht gebaut und daher gut vor Verwehungen geschützt. Auf beiden Seiten hatte der Wind flache Sanddünen aufgehäuft, sodass die Straße auf einem lang gestreckten Wall ruhte.

Seit nunmehr vier Tagen ritt die Gesandtschaft auf dem Weg der Pracht. Der jähe Klimawechsel, der sich mit dem Eindringen in die Wüste eingestellt hatte, machte den Sitharern schwer zu schaffen. Vor allem Lyndolin Sintiguren litt unter der sengenden Hitze, zumal sie seit Pryatt Parr nicht mehr in einer Kutsche reisen konnte. Die Arphater hatten lediglich eine zwischen zwei Pferderücken gespannte Sänfte für die betagte Dichterin angefordert. Sie hatte bereits mehrere Schwächeanfälle erlitten; Baniter machte sich ernsthafte Sorgen um ihre Gesundheit. Auch er selbst fühlte sich matt. Der Pradan-Anuf, jener ostwärts wehende, glühende Wüstenwind, trocknete Lunge und Nase aus und machte das Atmen zur Qual. Allein Mestor Ulba schien das praatische Klima gewöhnt zu sein; seine Beteuerung, dass die Temperaturen im Sommer noch sehr viel unangenehmer seien, half den übrigen Reisenden nur bedingt.



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