Nachwuchs unterm Regenbogen (German Edition) by Martin F Falken

Nachwuchs unterm Regenbogen (German Edition) by Martin F Falken

Autor:Martin F Falken [Falken, Martin F]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783863614560
Herausgeber: Himmelstürmer Verlag
veröffentlicht: 2015-01-31T16:00:00+00:00


Ricardo

Je näher wir zu Norberts Haus kamen, desto unruhiger wurde Nicolas. Ich sah, wie sich seine Halsmuskeln anspannten, wie er direkt durch die Windschutzscheibe starrte, ohne seinen Blick nach links oder rechts zu richten. Er rechnete vermutlich mit dem Schlimmsten. Ich war auch still, aber ich dachte nicht an Norbert, sondern an Julio. In den letzten Jahren hatte ich etwas falsch gemacht. Wir blieben noch eine Weile im Auto sitzen. Keiner von uns beiden wollte zuerst den Wagen verlassen und zum Haus gehen. Nicolas begann in seiner Tasche zu wühlen und holte sein Schlüsselbund hervor.

Ich blieb auf dem Fahrersitz, als Nicolas langsam zum Haus ging. Er trat gegen einen Tennisball, der auf dem schmalen Weg zur Haustür zwischen einem welken Blumenbeet und dem von Unkraut übersäten Rasen lag. Die Vorhänge waren nicht zugezogen, der Briefkasten nicht mit Zeitungen überfüllt. Dürstend nach weiteren Anzeichen, die bewiesen, dass Norbert lebte, suchte ich die Fassade ab. Aber da war nichts zu entdecken.

Noch bevor Nicolas den Schlüssel ins Schloss steckte, stieg ich aus unserem Wagen und begleitete ihn ins Haus. Bis vor wenigen Minuten hatte ich noch Hunger, der Geruch von Mottenpulver und Fritteusenfett machte jeden Gedanken an einen Imbiss zunichte.

„Papa?“ Nicolas flüsterte, als hätte er Angst, seinen Vater zu wecken. Ich hörte nichts außer der erdrückenden Stille. Wir liefen mit unseren Schuhen über die fetten Teppiche ins Wohnzimmer. Der Fernseher war im Standby-Modus. Auf dem Wohnzimmertisch lag die Fernbedienung, eine Vase mit vertrockneten Blumen stand in der Mitte. Ein paar Kaffeeflecken waren auf der weißen Tischdecke verteilt.

„Das gefällt mir nicht.“ Nicolas sprach immer noch leise. Am liebsten wollte ich das Haus wieder verlassen. Ich folgte aber meinem Mann ins Schlafzimmer seiner Eltern.

„Gehst du vor?“, fragte er.

Ich nickte, auch wenn ich es nicht wollte. Zögernd öffnete ich die Schlafzimmertür, meine schwitzende Hand klebte am Türgriff. Ich linste durch den Spalt und sah ein sonnendurchflutetes Schlafzimmer, auf dem Bett lag Norbert in einem dunkelblauen Morgenmantel. Er lag mit dem Kopf am Fußende, seine mit Pantoffeln bekleideten Füße auf dem Kissen. Oh nein! Für einen Augenblick glaubte ich, dass er tot war, doch er atmete, sein Körper bewegte sich.

„Er lebt“, sagte ich zu Nicolas, um ihm endlich die Last zu nehmen.

„Hm? Wer ist da?“ Norberts Stimme klang kratzig. Er blinzelte, als er mich ansah. „Was machst du hier?“

Abrupt stieß Nicolas mich zur Seite und ging entschlossen ins Schlafzimmer: „Wieso gehst du nicht ans Telefon? Wieso liegst du mitten am Tag im Bett?“

„Ich bin Rentner ...“ Mit müden Bewegungen versuchte sich Norbert aufzurichten, die Augen noch immer verklebt und mehr geschlossen als geöffnet. Er glaubte wohl, dass er träumte.

„Und ihr habt an den Einkaufszettel und meine Akten gedacht?“

„Was?“ Nicolas sah mich hilfesuchend an.

Norbert schüttelte seinen Kopf und setzte sich auf die Bettkante. Als er auf die Anzeige seiner Digitaluhr am Bett blickte, machte er riesige Augen. „Es ist gleich siebzehn Uhr? Ich bin gegen drei Uhr heute Morgen ins Bett gegangen, war zwischendurch nicht einmal wach … Ich muss mal zur Toilette.“ Schnell stand er auf, wankte ein wenig und lief runter ins Bad.



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