Nachts auf der Hexeninsel (German Edition) by Warren Earl

Nachts auf der Hexeninsel (German Edition) by Warren Earl

Autor:Warren, Earl [Warren, Earl]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-12-11T00:00:00+00:00


4. Kapitel

Letitia war empört. Da hatte sie sich überwunden und Robert Trent einen Vertrauensbeweis erbracht, und er reagierte mit Zweifeln und Unglauben. Ein engstirniger Pauker ist er, dachte Letitia. Gerade recht für Stornoway.

Diesen Mann würde sie aus ihrem Gedächtnis streichen wie Stornoway und die Mortons. Letitia beruhigte sich allmählich, sie brauchte Robert ja nicht wiederzusehen.

Wieder ruhig geworden, erkundigte sie sich nach der Polizeiwache. Die Einheimischen, die sie fragten, mieden alle ihren Blick. Angeblich verstanden sie sie nicht.

Sie schüttelten jedenfalls nur den Kopf und antworteten auf Gälisch. Dann begegnete Letitia einer der Morton-Frauen, die sie von der Dinnerparty kannte. Die Frau kam gerade vom Einkaufen und trug einen Korb und eine pralle Tasche. Sie redete wenigstens Englisch.

»Hallo, Letitia, das ist aber eine Überraschung, dich hier zu treffen. Was willst du denn in Stornoway?«

»Ach, ich fahre nur so herum und schaue mich um.«

»Besuchst du uns nachher einmal? Ich und mein Mann würden uns freuen. Du musst uns von London erzählen.«

Die Frau beschrieb Letitia, wo sie wohnte. Letitia sagte vage, sie würde vielleicht kommen, und radelte weiter. Schließlich fragte sie zwei zehnjährige Jungs nach der Polizeiwache. Die Kinder mussten in der Schule schließlich Englisch lernen.

Die Jungens antworteten auch. Letitia fuhr über einen Platz, an dem das Rathaus und Geschäfte standen, und fand endlich in einer Seitenstraße, neben der Schmiede, die Polizeiwache. Einen echten Huf- und Wagenschmied hatte Letitia in Soho nie gesehen. Der Meister hämmerte an einem kantigen Eisenstück herum.

Er trug eine Lederschürze und hatte die Ärmel aufgekrempelt. Seine rußgeschwärzten Unterarme und die klobige Figur passten zu einem Schmied.

»Da ist niemand da«, sagte er auf Englisch, allerdings mit starkem Dialekt zu Letitia, als sie ihr Rad abstellte und sich der Tür der Polizeiwache näherte. »Der Konstabler – wir haben nur einen – muss einen Diebstahl in der Nordbucht untersuchen. Er kehrt frühestens in einer Stunde zurück.«

Letitia war enttäuscht.

»Gibt es hier einen Geistlichen?« fragte sie.

»Nein.«

»Aber ich habe doch eine Kirche gesehen. Da muss es auch einen Pfarrer geben.«

Der Schmied betrachtete Letitia unter buschigen Brauen hervor. Es war schattig und kühl in der Gasse.

»Die Kirche wird kaum je benutzt«, antwortete er. »Mitunter kommt ein Geistlicher vom Festland herüber, aber sehr selten. Hier herrschen andere Mächte.«

»Welche?«

»Das müssten Sie doch am besten wissen. Wohnen Sie nicht im ›Haus der sinkenden Sonne‹?«

»Doch.«

»Na also.«

In einem Nest wie Stornoway blieb nichts verborgen. Letitia hätte damit rechnen müssen, dass ihre Ankunft sich herumgesprochen hatte wie ein Lauffeuer. Jetzt wusste sie auch, weshalb sich so wenige Leute auf der Straße aufhielten, und wieso sie sie angeblich alle nicht verstanden. Nur Robert Trent, ein Fremder und Außenseiter, hatte nichts gewusst.

»Was geht hier eigentlich vor?« fragte Letitia den Schmied.

Er presste die Lippen zusammen. Er hatte schon zu viel gesprochen und fürchtete sich. Die Frau des Schmieds erschien am Fenster des Hauses, das hinter der Schmiede stand, klopfte ihrem Mann und winkte ihm mit strenger Miene. Der Schmied legte das Werkstück zur Seite, das er bearbeitet, wischte sich die Hände an der Schürze ab und lief eilig ins Haus.

Was für ein Nest, dachte Letitia, und sie hatte erste Zweifel, ob man sie überhaupt würde abreisen lassen.



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