Nachtpfade by N Förg

Nachtpfade by N Förg

Autor:N Förg [Förg, N]
Die sprache: deu
Format: mobi
ISBN: 9783863580360
veröffentlicht: 2012-08-13T18:02:56+00:00


Kapitel 7

»Wie überall, so waren auch hier die

Männer besonders verwahrlost und verwest.«

Hölderlin, Hyperion

Das fehlte wirklich noch: Sich einen windigen, regnerischen und kalten Herbsttag lang die Füße in den Bauch zu stehen, einzig, um Pferde und Kutschen anzuschauen. Dicke Pferde, die für ihn alle gleich aussahen. Und noch schlimmer: Menschen, die auch alle gleich aussahen: rotwangige Bauernschädel, eingefleischte Trachtler, die sich »Lustiges Alpenrösl« oder »Trachtenerhaltungsverein d Wuiderer« nennen. Kerndlgfuaderte Madeln mit viel Holz vor der Hüttn und einem Fuchsschwanz um die Schultern. Pferde wie Menschen waren Bauerntrampel. Definitiv: Gerhard hasste so was, aber Kassandra und Evi hatten drauf bestanden, hinzugehen, weil Jo doch mit von der Partie war. Kassandra war klammheimlich wieder aufgetaucht aus Freiburg. Er hatte erst durch Evi erfahren, dass sie wieder da war. Dass dieser blödsinnige Ausflug geplant war. Die Damen hatten das beschlossen. Die Begrüßung an diesem windigen Morgen war kurz ausgefallen. Er wollte Kassandra umarmen, und sie hatte ihn auf beide Wangen geküsst und eine Armlänge auf Abstand gehalten. Er hätte sie gerne gefragt, wie es bei ihrer Schwester gewesen war, er hätte sie gerne vieles gefragt, aber Kassandra war in ein Gespräch mit Evi vertieft, und sie schilderte gerade, wie toll das doch heute Morgen gewesen sei, die Pferde zu putzen und herzurichten für ihren großen Auftritt. Verdammt, was hatte Kassandra damit zu tun? Jo, okay, Jo und ihre Horde kleiner Mädels, die ihre Töchter hätten sein können, die alle schon seit Tagen im Leonhardirausch waren. Aber Kassandra hatte mit Pferden eigentlich nichts am Hut.

Leonhardi, was für ein Blödsinn, und dann war dieser heilige Leonhard auch noch irrtümlich aufs Pferd gekommen. Er war eigentlich ein Gefangenenschutzpatron. Versehentlich wurden die Ketten zu seinen Füßen für Viehketten gehalten, eigentlich waren es Ketten armer Gefangener gewesen. Aber der gute Leonhard ließ sich auch für die Rösser einnehmen, und so verbrachte das halbe Oberland Wochen vor den Umritten damit, Girlanden aus Weißtanne zu binden, Gestecke zu zaubern und Geschirre und Sättel zu polieren. Jo hatte ihre Pferde gestern alle extra noch gewaschen, hatte Kassandra berichtet, und wenn er noch einmal was vom Schwoafflechten und von Mähnengummis hörte, würde er sich an einem solchen Gummi erhängen. Jawohl!

Eigentlich hätte Jo ja mit den Einzelreitern irgendwo ganz am Ende des Zuges reiten müssen, aber sie hatte einen Kutscher bezirzt, dass ihre Gruppe mittendrin war. Eine große Ehre, denn ihre Norweger und Isländer galten bei den Hardcore-Trachtlern als »Flugameisen«, und Rassen, die keine Süddeutschen Kaltblüter waren, durften eigentlich maximal hinten beim »Gschwerl« mitreiten. Und selbst die Haflinger veranlassten die wirklich eingeschworene Kaltblutgemeinde auch nur zu einem abgedroschenen Standardwitz: »Frage: Was sind zwei Haflinger im Pferdehänger? Antwort: Essen auf Rädern.« Für Gerhard waren das alles Bücher mit sieben Siegeln. Pferd war Pferd. Pferde waren große Tiere ohne Bremse, deren Lenkung äußerst schwierig war, die wie plüschige Rasenmäher unentwegt vorne was reinstopften, was hinten dann wieder stinkend und mistig rauskam. Pferdefrauen waren eine weltweite Seuche, und Jo war unrettbar verseucht.

Und nun stand er also da in Höhe des neuen Kreisels in Peißenberg und starrte auf die Wagen.



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