Nürnberg by Darnstädt Thomas

Autor:Darnstädt, Thomas [Darnstädt, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492969345
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2015-05-13T16:00:00+00:00

Der Dritte Weltkrieg

Lila und weißer Phlox lag an diesem Junimorgen auf dem Tischchen in der Zeugenbox. Daran ein Zettel: »Ruhig, ganz ruhig mein Schatz. Verlier nicht die Beherrschung.«

Das Gebinde hatte Luise Jodl dahin gelegt. Die Ehefrau des Generalobersts hatte jederzeit Zugang zum Gerichtssaal; sie hatte sich als Assistentin der Jodlverteidiger Franz Exner und Hermann Jahrreiß verpflichten lassen. Im Gerichtssaal boten die drei ein besonderes Bild, die Juristen in lila Robe, die Assistentin im langen lila Kleid. Alles eine Frage der Inszenierung, wie nun die Blumen im Zeugenstand: Der Fall Jodl war ein Fall für sich.

Alfred Jodl selbst war ein Fall für sich. Jodl, 56, aus alter bayerischer Offiziersfamilie, war kein verblendeter Nazi, kein machtgieriger Streber, kein Mann, der sich hinter Befehl und Gehorsam versteckt hätte. Dieser Soldat glaubte nicht an Adolf Hitler. Er glaubte an den Krieg. Als Chef der Operationsabteilung im Oberkommando der Wehrmacht hatte er Memoranden wie dieses verfasst: »Der Krieg in seiner absoluten Form ist die gewaltsame Auseinandersetzung zweier oder mehrerer Staaten mit allen Mitteln. Trotz aller Versuche, den Krieg zu ächten, bleibt er ein Naturgesetz, das sich eindämmen, aber nicht beseitigen lässt und der Erhaltung von Volk und Staat oder der Sicherung seiner geschichtlichen Zukunft dient. Dieser hohe sittliche Zweck gibt dem Krieg sein totales Gepräge und seine ethische Berechtigung.«

Klar, dass sie jemanden, der so redet, als Brandstifter des Angriffskrieges angeklagt haben. Dabei haben die Sowjets, die darauf bestanden haben, den Generaloberst in die erste Reihe der Kriegsverbrecher aufzunehmen, ihm besonders seine Mitwirkung an dem verbrecherischen »Kommissarbefehl« verübelt, mit dem angeordnet worden war, alle auf dem Russlandfeldzug gefangen genommenen Politkommissare in der Roten Armee sofort zu töten. Jodl hat bis zum Schluss die Verantwortung für diesen Befehl von sich gewiesen: Der Befehl sei vom »Führer« gekommen, und er habe nur, die Kriegsrechtskonventionen »immer auf dem Tisch«, Bemerkungen zur rechtlichen Umsetzung solcher Ideen angefügt: Man müsse die »ganze Aktion am besten als Vergeltung« aufziehen, dann könnte es gehen.

Nein, nein, ihm sei nichts am Zeug zu flicken, er habe »das ethische Fundament« des Kriegshandwerks nie verlassen, erklärt er. Man könne ihm, dem gelernten Soldaten, doch nicht verübeln, dass er im »Führerhauptquartier« seine »Arbeit erledigt« habe. Das sei zwar ein merkwürdiger Laden gewesen, »eine Mischung aus Kloster und Konzentrationslager«. Aber niemals, nie habe er sich unterkriegen lassen: »Unter den wenigen Offizieren, die es gewagt haben, dem Führer Auge in Auge entgegenzutreten, und zwar in einem Ton und in einer Form, dass die Zuschauer auch den Atem anhielten, weil sie eine Katastrophe befürchteten, zu diesen wenigen Offizieren gehörte ich.«

Hinter seinem Phlox verschanzt, lässt sich der kleine, kahlköpfige Jodl auch im Prozess nichts gefallen. Frage des britischen Anklägers Geoffrey Roberts: »Sie haben gesagt, dass Ihnen das Soldatentum im Blute liegt?«

Jodl: Ja, das stimmt.

Roberts: Sie sagten, dass Sie die Ehre der deutschen Soldaten hier vertreten?

Jodl: Ja, das tue ich in hohem Maße.

Roberts: Sie haben sich als einen wahrheitsliebenden Mann hingestellt?

Jodl: Ich bin es auch.

Roberts: Glauben Sie, dass durch das, was Sie während der letzten sechs oder sieben Jahre tun mussten, Ihre Ehre

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