Nächste Ausfahrt Zukunft: Geschichten aus einer Welt im Wandel (German Edition) by Ranga Yogeshwar

Autor:Ranga Yogeshwar
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783462317831
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch eBook
veröffentlicht: 2017-10-04T22:00:00+00:00

Wofür wir jetzt kämpfen müssen

Täglich dringen neue Meldungen an die Öffentlichkeit: Telefone, Mails, SMS-Nachrichten, selbst Computerspiele wurden und werden belauscht, und dabei werden immense Datenmengen gesammelt. Geheimdienste und Internetkonzerne dringen in unser Leben ein. Wer weiß, was da noch kommt?

Die schützenden Wände unserer Privatsphäre sind feucht geworden. Schimmelflecken werden sichtbar, doch die ersten Renovierungsversuche scheitern kläglich: No-Spy-Abkommen, Delegationen in Washington, Kommissionen im Bundestag, Reden und Appelle – es hilft nichts, das Problem ist weiterhin virulent, und immer mehr dunkle Flecken tauchen auf, überall.

Das demokratische Gebäude nimmt Schaden, und die Quelle des Übels lässt sich nicht abstellen. Die Daten fließen munter weiter – von uns an sie: Bankdaten, Einkaufspräferenzen, Ortsangaben. Das Erstaunlichste und Erschreckendste ist unsere Unbekümmertheit: Wir wissen, dass sie unsere privatesten Dinge speichern und auswerten, aber wir ändern nichts und posten und chatten hemmungslos weiter. Warum nur?

Vielleicht fehlt ein sichtbares Opfer der Datendestillation. Jemand, der seinen Job verliert, oder jemand, der unschuldig ins Gefängnis geworfen wird. Anders als bei Gestapo und Stasi werden wir nicht Zeugen, wie unser Nachbar frühmorgens aus dem Bett geklingelt und verhaftet wird. Keine Gefangenen, keine Folteropfer, keine Verletzten, und so ziehen wir alle den fatalen Schluss: Das digitale Tier ist lieb und will doch nur spielen!

Talkshows, Leitartikel, Podiumsdiskussionen und flammende Appelle schaffen es nicht, das gesellschaftliche Bewusstsein zu ändern. Und die digitale Alltagserfahrung ist ja auch ungemein praktisch: die App zum Auffinden des Restaurants, die Ein-Klick-Bestellung im Onlineladen und das vibrierende Smartphone mit der nächsten WhatsApp-Mitteilung.

Immanuel Kant hat in seiner Definition der Aufklärung auf das eigene Denken hingewiesen – das Sapere aude (Wage es, weise zu sein!) – und im gleichen Atemzug vor dem Gift der Bequemlichkeit gewarnt: »Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen … es anderen so leicht macht, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein.« Kants Gedanken hallen nach, doch im anbrechenden digitalen Zeitalter droht aus der Unmündigkeit eine selbst gewählte vollständige Entmündigung zu werden.

Um zu begreifen, was auf uns zukommt, müssen wir die synergetische Kraft gleich mehrerer paralleler Entwicklungen verstehen:

Zunächst ist da der immense technische Fortschritt: Heutige Mobiltelefone besitzen so viel Speicherkapazität wie ganze Rechenzentren während meiner Studienzeit, die Leistung unserer Desktops übertrifft die der besten Supercomputer im Kalten Krieg um ein Millionenfaches.[80] Die Integrationstechnik stößt mit Nanosensoren in neue Dimensionen vor, und die zunehmende Vernetzung aller Apparate verstärkt das große Gewitter des Fortschritts. All das ist gleichermaßen faszinierend und unfassbar, selbst für Eingeweihte, und dabei nimmt die Entwicklung gerade erst Fahrt auf. Betrachtet man die Konzepte im Detail, dann offenbaren sich fundamentale Veränderungen in der Art und Weise, wie wir denken.

Erlauben Sie mir hierfür einen kurzen Exkurs in die Welt der Informationstechnik. Frühere Programmiersprachen waren dumm und verliefen noch nach stur imperativen Ansätzen: Befehl und Gehorsam, »Master« und »Slave«. Die Codes waren linear und in sich geschlossen, gefangen in einem abgekapselten Teil außerhalb unserer Realität. Es gab eine fast monarchistische Grundstruktur. Im Zentrum die »Central Processing Unit« (CPU), umgeben von ihren Sklaven, den anderen Schaltungen. Doch dann kamen

Download

Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.