Muslime und Christen in der Zivilgesellschaft by Henning Wrogemann

Muslime und Christen in der Zivilgesellschaft by Henning Wrogemann

Autor:Henning Wrogemann [Wrogemann, Henning]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Evangelische Verlagsanstalt GmbH
veröffentlicht: 2017-03-16T16:00:00+00:00


Ganz konkret zugespitzt: Unter den jungen Leuten in einer Stadt wie Wuppertal weisen mittlerweile etwa 50 % einen familiären Migrationshintergrund auf. Damit kommen ganz praktische Fragen in Kindergärten, Schulen, Gemeinden und Initiativen auf, die sehr oft die Identität derjenigen Menschen betreffen, um die es hier geht. Viele Fragen des sozialen Umgangs miteinander werden nicht nur nach pragmatischen, sondern eben auch nach kulturellen Wertmaßstäben anzugehen versucht. Genau an dieser Stelle jedoch stellt sich dann das Problem, wer hier welche Aspekte von Identität ins Spiel bringt: Was gehört zu einer iranischen, türkischen, serbischen oder indischen Herkunftsidentität und welche Ansprüche lassen sich von wem im Blick auf was und wiederum im Blick auf wen daraus ableiten? Wie verändern sich diese Identitäten, gerade dann, wenn die jeweils jüngere Generation ein ganz anderes Lebensgefühl entwickelt, als die jeweils ältere? Nicht selten werden in verschiedenen Ländern »mörderische Identitäten« (Maalouf) stilisiert, um damit innerhalb einer ethnischen oder kulturellen Wir-Gruppe Macht auszuüben, oft mit repressiven Mitteln. Für interkulturelles und interreligiöses Verstehen bedeutet dies, eine hohe Sensibilität für Fragen von Identität im Blick auf die damit erhobenen Geltungs- und Machtansprüche zu entwickeln. Identitäten sind umstritten, zwischen älteren und jüngeren Menschen, zwischen Frauen und Männern, zwischen Konservativen und Liberalen, zwischen städtisch oder ländlich geprägten Menschengruppen usw. Aus diesem Grunde gilt es, sich vor Naivitäten zu hüten und verschiedene Dimensionen im hermeneutischen Prozess im Blick zu behalten.

FÜNF DIMENSIONEN EINER INTERKULTURELLEN HERMENEUTIK

Im Folgenden soll von fünf solchen Dimensionen die Rede sein, von der kultursemiotischen Dimension, der diskurstheoretischen, der konnektiven, der kommunikativen und der missionarischen Dimension.307 Es geht für eine zukünftige interkulturelle wie interreligiöse Hermeneutik darum, Phänomene im Blick auf diese Dimensionen immer wieder neu wahrzunehmen, um einen multidimensionalen hermeneutischen Zugang zu entwickeln, in dem die unvermeidbaren blinden Flecken so weit als möglich minimiert werden. Gegenüber der Fiktion eines endgültigen Verstehens geht es – viel bescheidener – um das stetige und immer wieder neue Einüben einer hermeneutischen Sensibilisierung.



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