Muskatbraun - Zerstreute Gesellschaft by Tom Wolf

Muskatbraun - Zerstreute Gesellschaft by Tom Wolf

Autor:Tom Wolf [Wolf, Tom]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bebra Verlag
veröffentlicht: 2015-05-28T16:00:00+00:00


Montag, 27. Juni 1746

Die Bäume und Hecken standen noch im Grün des jungen Laubes, das den Mai und Juni so einzigartig macht, die weiten Rasenflächen dufteten in der Sonnenwärme und nur die Wege, die Alleen, die verschwiegenen künstlichen Grotten bewahrten den kühlenden Schatten. Schon von der Gicht befallen, dem alten Erbübel der Familie, blühte der König in den Sommerwochen auf. Lebhaft bedauerte er ihre Kürze, denn er fror leicht und trug stets die Sehnsucht nach der südlichen Sonne im Herzen, die er nie hatte sehen dürfen. Er war um vier aufgestanden und hatte bereits sämtliche laufenden Staatsgeschäfte abgetan – hatte bereits Flöte gespielt, komponiert, gegen Heinrich auf dem Papier in Flandern Krieg geführt, Briefe geschrieben, mit dem Baron Meerkatz über Bilderankäufe konferiert und den Baron Knobelsdorff wegen der unbedingt erforderlichen Erweiterung der Charlottenburger Anlage instruiert, die für die schickliche Unterbringung der momentanen Gäste nur unter Aufbietung aller Nonchalance und Improvisation hinreichte. Da erst, mitten am Vormittag, erhoben sich seine Gäste aus den Betten. Einer nach dem anderen kam in den Park hinunter, in dem der Monarch, wenn er in Charlottenburg war, um diese Zeit spazieren zu gehen pflegte. Kaum hatten die Kavaliere den König auf diese Weise begrüßt, da es die Zeremonie einer feierlichen Kur des Lever nicht gab, so kehrten sie ins Schloss zurück, um nun den Damen auf ihren Zimmern die morgendliche Aufwartung zu machen.

In der Küche war wie üblich vor wichtigen Ereignissen die Hölle los. Zu allem Überfluss an Arbeit schielte Meerkatz herein. Ihm den Liebesbrief zu zeigen und um eine Übersetzung zu bitten, schien Langustier nicht angebracht, war Meerkatz doch irgendwie in die Sache involviert. Auch wenn Hamilton zugegen gewesen wäre, hätte es nicht viel geholfen. Er gedachte sich diesbezüglich bei nächster Gelegenheit der Königinmutter anzuvertrauen.

»Sie haben gesehen, was Sie heute Mittag erwartet. Doch das ist noch nichts gegen das Souper …«

Langustier hätte sich ohrfeigen können, was musste er jetzt die Sprache noch darauf bringen! Meerkatz verharrte erwartungsvoll.

»Oho, das Souper – welcher Genüsse dürfen wir denn gewärtig sein?«

Da half nur rückhaltlose Offenheit.

»Es ist noch geheim, doch Ihnen verrate ich es. Es ist die Menüfolge einer Abendtafel der Königinwitwe von 1735.«

Damhirschrücken, gebratenes Huhn auf Moskowitisch, farcierte Hammelkarbonade, gespickte Fricandeaux von Kalbfleisch mit Champignons, Pastete von sechs Nesttauben au naturell mit Peffer und Salz, Bauernkarpfen mit dicker Butter und Majoran, farcierte Semmeln mit Pflückhecht und Krebsschwänzen, gebratene Kälberbrösen, gedämpfte grüne Erbsen, Salat und frische Heringe.



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