Musikstudenten by Paul Oskar Höcker

Musikstudenten by Paul Oskar Höcker

Autor:Paul Oskar Höcker [Höcker, Paul Oskar]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-07-16T00:00:00+00:00


* * *

In den beiden ersten Jahren, in denen Bert Nikoleit als Schüler des Professors von Herzogenberg die Berliner Akademische Hochschule für Musik besuchte, sah er nur selten einen seiner früheren Bekannten. Dieter Raith diente sein Jahr bei den Gardefüsilieren ab, und nachdem er die Uniform ausgezogen hatte, verbrachte er zwei Semester in Bonn. Seine Schwester hatte einer schweren Erkrankung wegen einen ganzen Winter lang ihr Gesangsstudium unterbrechen müssen und war bei ihren Eltern in Bonn geblieben.

Nikoleit erfuhr das von Dieter Raiths Leibfuchs im „Komponistenverein“, einer Verbindung der Kompositionstudierenden der Königlichen Akademie der Künste, der einzigen Studentenvereinigung, der Bert Nikoleit beigetreten war.

Bei ihren wöchentlichen Zusammenkünften im Vereinszimmer des „Dessauer Gartens“ trugen die Meisterschüler, die Hochschüler und die Angehörigen von Spittas „Doktorhutfabrik“ einander ihre neuen Kompositionsversuche vor. Zumeist auf dem arg verpaukten Klavier, das zum Vereinszimmer gehörte. In dem kleinen, von Zigarrenqualm erfüllten Kneipzimmer wurde bei dicht verrammelten Fensterläden oft bis weit nach Mitternacht musiziert — und von den Anhängern verschiedener Richtungen mit heissen Wangen debattiert. Bert fand mit einigen seiner Arbeiten, zumeist Liedern, die er seinem Professor nicht gezeigt hatte, weil sie ein bisschen „wild“ waren, bei den Vertretern der modernen Richtung eine begeisterte Aufnahme. Ein paar Meisterschüler, vor allem die Studierenden des Instituts für Kirchenmusik, die dem Verein angehörten, traten aber in scharfen Gegensatz zu dem jungen Komponisten, den sie einen „verkappten Wagnerianer“ nannten. Es war, als ob für die leidenschaftlichen Kunstjünger die ganze Welt nur in zwei Lager zerfiele: das der Bayreuthianer und das der Antiwagnerianer. Unter den „Alten Herren“ des Vereins befanden sich indes einige, die schon mit grösseren Werken an die Öffentlichkeit getreten und im Begriffe waren, ihrem Namen Geltung zu verschaffen — Wilhelm Berger, W. von Baussnern, Willibald Kühler, Stolzenberg, C. F. Koch, Hausburg, Fried, Puchat, Wolf, Stavenhagen — und ihrem verständigen Eingreifen gelang es, die ärgsten Stürme wieder zu beschwichtigen.

Bert Nikoleit verfolgte das Schaffen dieser jungen Künstler mit brennendem Interesse. Wenn der ihm so unsagbar langsam erscheinende Fortschritt in seinen ernsten Studien ihn in diesen Zeiten zur Verzweiflung treiben wollte, dann sagte er sich immer von neuem: die haben dieselbe Qual durchgemacht, haben denselben Fleiss aufbringen müssen, um die ganze Technik von Grund aus zu beherrschen. So fügte auch er sich in das eiserne Muss.

Professor von Herzogenberg erkannte sein Talent wie seinen Fleiss stets willig an — aber er suchte seinen hitzigen Schüler bei den kontrapunktischen Übungen mit voller Absicht länger zurückzuhalten als andre Studierende, weil er für Nikoleit eine grosse Gefahr sah: wenn er nicht lernte, sein Temperament zu zügeln. Noch im ganzen zweiten Jahr seines Studiums zählte Bert Nikoleit für den Professor zu den „Wilden“, die in einer verwegenen Modulation plötzlich die musikalische Tradition von Jahrhunderten zu zertrümmern sich vermassen. Er war ein schwieriger — aber unbedingt auch ein interessanter Schüler.

Zu Beginn des dritten Semesters hatte Nikoleit auch seine alte Studentenbude am Neuen Markt wieder bezogen. Er kam zufällig vorüber, sah einen Vermietungszettel aushängen und stieg die schmale Treppe bis zum Dachgeschoss empor.

Knusts waren ausser sich vor Freude. Da wurden denn rasch allerlei Neuigkeiten ausgetauscht.



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