Muenk, Katharina by Die Insassen
Autor:Die Insassen
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Die Hummel
Er sah sie völlig entkräftet auf der Fensterbank dahinkriechen. Sie war offensichtlich durch eine winzige undichte Stelle im Fensterrahmen hereingekommen. Zeit für die Vorstellung, dachte Winter. Wenn sie auch das schlucken würden, konnte es langsam so richtig losgehen. Er fing also an zu brummen. Es kam sowieso fast automatisch aus ihm heraus, und es war wie immer perfekt imitiert. Er stand dabei auf, ging zur Fensterbank, schubste das Insekt sachte an. Es wackelte langsam mit den Flügeln und fuhr - noch etwas benommen, aber immerhin - durch die Luft. Er hob seine Stimme leicht und schaute der Hummel mit wellenartigen Kopfbewegungen hinterher.
»Oh Herr, dein Tierreich ist groß.« Wienkamp beobachtete andächtig die Szenerie.
Er wandte sich dann an die Sekretärin, glaubte wohl, ihr etwas erklären zu müssen: »Macht er öfter. Er spricht lieber mit Insekten als mit Menschen. Er hat da so eine Art Inselbegabung. Am interessantesten ist es, wenn er versucht, mit Schmetterlingen akustischen Kontakt aufzunehmen. Neulich ...«
»Ach, Herr Wienkamp, das tut jetzt wirklich nichts zur Sache!« Löhring riss seine Vision von der Staffelei.
»Was ist daran so schlimm? Schon der heilige Franz von Assisi hat sich mit Vögeln unterhalten. Winter kommt doch so langsam aus sich heraus, finden Sie nicht?«
»Dann können die Heuschrecken ja kommen. Wollen wir hoffen, dass er mit denen auch redet.«
Wienkamp schien die Tierwelt jetzt nicht mehr loszulassen. »Überhaupt denke ich, dass sich dem Tierreich die wahre Seele des Managers offenbart. Dieser Gedanke ist durchaus zeitgemäß, wissen Sie. Heute werden zu diesem Zweck Wölfe gestreichelt, Pferde geführt, Adler gelockt und Haie angefüttert. Das könnten wir uns für >Bad Homburg< auch noch überlegen. Und Sie regen sich auf, nur weil Winter eine Hummel anbrummt.«
»Nun hören Sie aber mal auf mit diesem Unsinn, Wienkamp. Sie wissen wohl immer erst, was Sie denken, wenn Sie hören, was Sie sagen, wie?«
Das reichte. Winter ging wieder zu seinem Platz, klappte das Notebook zu und verließ damit den Raum. Sie ließen ihn gehen, machten keinen Ärger, denn er hatte die Dateien. Als er den Flur entlanglief, bekam er mit, dass auch Löhring jetzt ging, nicht ohne seiner Sekretärin in der Tür stehend noch etwas zuzuraunen:
»Noch einmal, zu niemandem ein Wort. Auch nicht von dem Gebrumme. Denken Sie an Ihre Geheimhaltungsverpflichtung. Und morgen machen wir den Letter of Intent, Frau Schreck. Planen Sie das zeitlich mal ein.«
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