Mordskind by Mischke Susanne

Mordskind by Mischke Susanne

Autor:Mischke, Susanne [Mischke, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492955713
Herausgeber: Piper (com)
veröffentlicht: 2014-10-24T00:00:00+00:00


Faschingstreiben

»Ich töte dich!«

Paula spürte einen Revolverlauf im Rücken, dann krachte es auch schon. Ihre Ohren begannen zu singen. Man sollte ihnen die Dinger am Eingang abnehmen, dachte sie. Das ist kein Kinderfasching, das ist eine Waffenschau. Sie bereute es fast, mitgekommen zu sein, aber sie wollte Simon nicht schon wieder allein mit Doris gehen lassen.

Die Mehrzahl der Jungs waren Cowboys. Paula bemerkte voller Abscheu den dummen, brutalen Gesichtsausdruck, den sie bekamen, wenn sie ihre Revolver auf alles und jeden abfeuerten. Anscheinend stimmte es doch, daß in jedem Menschen eine mordende Bestie steckte. Oder nur in jedem Mann? Die Mädchen schossen nicht, sie gingen als Prinzessinnen, viele von ihnen, zu viele. Paula fand sie noch schlimmer. Die kindlichen Gesichter von grellem Make-up zur Fratze entstellt, wagten sie anfangs kaum zu essen oder herumzutoben, aus Furcht, die Pracht könnte Schaden nehmen. Dazu die verzückten Gesichter der Mütter! Paula suchte in ihnen ebenso verzweifelt wie vergeblich nach einer Spur von Mißfallen und Besorgnis.

Die Kapelle spielte den Ententanz, von der Decke hingen bunte Kreppgirlanden. Warum bloß machten Paula Faschingsbälle so melancholisch?

Zwei Tische weiter saß die Tochter von Karin Braun und gab Anlaß zur Hoffnung: Eine wilde Piratin mit geschwärztem Gesicht, einem großen Plastiksäbel, Augenklappe und Hakenhand, sie stopfte sich gerade einen ganzen Faschingskrapfen in den Mund. Karin Braun war inzwischen freie Mitarbeiterin beim Stadtkurier, und zwar ausschließlich für den Kulturbereich. Paula hatte dem Schulze energisch verboten, Frau Braun mit langweiligen Stadtratssitzungen oder ähnlichem zu vergraulen, denn sie schrieb recht brauchbar und nahm Paula etliche lästige Termine ab.

Eben kamen Doris und Simon, beladen mit Krapfen, Kaffee und Limonade, an den Tisch zurück. Simons Pumuckelkostüm mußte es irgendwo im Sonderangebot gegeben haben, denn es wuselten noch mindestens vier Kinder mit roten Perücken und schlabberigen Latzhosen durch die Turnhalle der Grundschule. Die Schulkinder bis zur vierten Klasse feierten gemeinsam mit dem Kindergarten Fasching, so wie jedes Jahr, am rußigen Freitag.

»Was für ein Gedrängel!« Die rosige, tüllverschleierte Fee Doris verteilte ihre guten Gaben. Simon biß in seinen Krapfen, er hatte das falsche Ende erwischt, und hinten quoll die rote Himbeermarmelade aus dem Teig. Paula wandte den Kopf ab und schluckte. Himmelherrgott, es ist bloß Marmelade, sagte sie sich streng. Zwei Cowboys forderten Simon auf mitzukommen, Indianer jagen. Simon sprang auf und hinterließ eine Schweinerei am Tisch, Paula verkniff sich eine Bemerkung, während Doris, wie immer hatte sie an alles gedacht, die Marmelade, den Zucker und die Limonadenreste mit einem feuchten Papiertuch aufwischte, das sie aus ihrer Tasche zauberte. Ihr Feenschleier hing dabei in den Kaffee, doch Paula sagte nichts. Ein kleiner Chinese blies Paula eine Luftschlange entgegen, und sie drapierte sich den kläglichen Fetzen Papier um den Hals. Zu spät hatte sie sich Gedanken um ihr Kostüm gemacht, sie trug lediglich ein altes, rotweiß geringeltes T-Shirt, für das Klaus in seinem neuen Singleleben wohl keine Verwendung mehr gesehen hatte. Nicht eben das Originellste, wie sie sich eingestand. Doch Doris hatte sie gerettet, wieder einmal, indem sie ihr dazu ein kunstvolles Pierrot-Gesicht malte. »Endlich rentiert sich dieser Maskenbildnerkurs mal,



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