Mordsgifte by Frank Mußhoff

Autor:Frank Mußhoff
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2014-05-14T16:00:00+00:00

Das Glas danach – die Begleitstoffanalyse

Gerade haben wir etwas über Methanol und andere Begleitstoffe in alkoholischen Getränken erfahren. Wie beschrieben, sind sie normalerweise nicht von toxikologischem Interesse. Aber in der täglichen Routine von sogenannten »Alkoholfahrten« kann deren Bestimmung im Blut Beschuldigter für eine Begutachtung hilfreich sein. Denn nicht selten sind Personen, die unter Alkoholeinfluss noch selbst fahren, nach Beendigung der Fahrt nicht direkt in »Obhut« von Polizeibeamten. Folglich besteht zumindest die Möglichkeit, dass jemand auch nach der Fahrt noch weitertrinkt, was eine letztendlich ermittelte Blutalkoholkonzentration (BAK) ganz oder zumindest teilweise erklären soll. Dieses »Trinken danach« nennen wir »Nachtrunk«, der klassische Fall sieht wie folgt aus: In geselliger Runde wurde das ein oder andere Gläschen geleert, und Herr X. steigt schon angeheitert in sein Auto, um nach Hause zu kommen. Auf dem Nachhauseweg verliert er die Kontrolle über seinen Wagen und fährt gegen einen Baum. Er läuft nach Hause und erklärt dem später eintreffenden Polizeibeamten, dass es natürlich falsch war, den Unfallort zu verlassen, er sei aber völlig durcheinander gewesen und habe auf den Schreck dann noch daheim den einen oder anderen hochprozentigen Schnaps zu sich genommen.

Wie geht man in solchen Fällen vor? Zum einen ist natürlich interessant, ob entsprechende Angaben direkt vor Ort gemacht wurden oder erst im weiteren Verlauf, vielleicht sogar erst während einer Gerichtsverhandlung. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, wenn dies nach dem ersten Kontakt mit einem Rechtsanwalt erfolgte! Werden nach entsprechender Belehrung Angaben vor Ort gemacht, sind Polizeibeamte angehalten, sowohl die Trinkmengen mit exakter Bezeichnung der Marken als auch die Trinkzeiten genauestens zu protokollieren. Dies gilt für einen möglichen Alkoholkonsum vor einer Fahrt wie auch für den angegebenen Nachtrunk. Des Weiteren sind Polizeibeamte angehalten, sich entsprechende Gläser und Flaschen vorzeigen zu lassen und auch weitere Zeugen zu deren Beobachtungen zu befragen. Gerade wenn es sich um exotischere Getränke handelt (Selbstgebrannter etc.), ist auch eine Sicherstellung anzuraten, um eine spätere Vergleichsprobe für Vergleichsanalysen vorliegen zu haben. Ob die gesamten Trinkangaben letztendlich überhaupt plausibel erscheinen, kann dann mit Hilfe einer Alkoholbilanzierung überprüft werden. Die aus den gesamten Trinkmengen resultierende BAK wird mit Berücksichtigung der Trinkzeiten errechnet und mit der letztendlich ermittelten BAK verglichen. Aufgrund großer individueller Unterschiede bei der Alkoholaufnahme und der Alkoholelimination kann aber immer nur ein bestimmter und durchaus größerer Erwartungsbereich angegeben werden, sodass nur grobe Abschätzungen möglich sind.

Meistens haben wir es in Fällen mit möglichem Nachtrunk mit sehr hohen Blutalkoholkonzentrationen zu tun. Und so erfolgt dann auch häufig die Angabe, noch eine außergewöhnlich große Menge Alkohol in kürzester Zeit bis zum Eintreffen der Polizei getrunken zu haben. Man spricht dann auch von einer »Sturztrunk-Einlassung«. Manchmal mag man gar nicht glauben, dass es rein körperlich möglich ist, innerhalb von nur 15 Minuten eine Flasche Wodka oder zwei Flaschen Sekt zu trinken. Aber ist das vor Gericht sicher auszuschließen? Ich habe sogar einmal an einer Verhandlung teilgenommen, in der ein Angeklagter in einer Kühltasche zwei Flaschen Sekt mitbrachte und dem Richter vorführen wollte, dass er das hinbekäme. Das Gericht wollte aber nicht die Verantwortung für einen weiteren Alkoholrausch übernehmen.

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