Mord im Chinagarten by Wider-Groth Stefanie

Mord im Chinagarten by Wider-Groth Stefanie

Autor:Wider-Groth, Stefanie [Wider-Groth, Stefanie]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Krimis, Thriller, Spionage
Herausgeber: theiss
veröffentlicht: 2015-05-29T16:00:00+00:00


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„Frau Bofinger, bitte.“

Erleichtert verließ Elke nach fast zweistündiger Wartezeit das gleichnamige Zimmer, in dem Mütter mit quengelnden Kindern, Männer mit Raucherhusten und Frauen, die lautstark Details ihrer medizinischen Befunde austauschten, in drangvoller Enge beisammensaßen. Ihr Hausarzt, den sie selten aufsuchte, machte einen gehetzten Eindruck. Elke schilderte die Symptome des Norovirus, die sie sich vor dem Besuch nochmals eingeprägt hatte. Wenig später hielt sie ohne längere Untersuchung den begehrten gelben Zettel in der Hand und konnte die Praxis wieder verlassen. Es war ein wenig wärmer geworden, nicht unbedingt frühlingshaft, aber doch nicht mehr so winterlich wie an den Tagen zuvor. Ein Spaziergang wäre jetzt angenehm gewesen, doch wer ging schon gerne spazieren in einer Gegend, wie sie den Cannstatter Bahnhof umgab, zu einer Zeit, in der sich der einsetzende Berufsverkehr bereits bemerkbar machte? Elke wich einer Gruppe alkoholisierter Jugendlicher aus und tastete in ihrer Manteltasche nach den zwei kleinen Plastiktütchen, die Kais Zahnbürste und einige Haare aus seinem Kamm enthielten. Sie würde diese Dinge noch heute zu Carolas Kanzlei bringen, nicht erst morgen, wie sie es ursprünglich vorgehabt hatte. Wenn das Wetter es zuließ, konnte sie dann den morgigen Freitag für ihren Spaziergang nutzen – vielleicht durch die Fellbacher Weinberge oder über den Kleinfeld-Friedhof, wo ihr Vater begraben lag. Obwohl Elke gelegentlich Menschen beneidete, die reicher, schöner oder auch weltgewandter waren als sie selbst, so vermisste sie nichts von alledem wirklich. Was ihr eigentlich fehlte, war die Freiheit, das Gefühl, Herrin ihrer Zeit zu sein. Der berufliche Alltag bestimmte ihr Leben, bestimmte, wann sie aufstehen und wann sie zu Bett gehen musste, bestimmte, an welchen Tagen der Woche und zu welcher Zeit sie zu arbeiten hatte oder spazieren gehen konnte. Niemand richtete sich heutzutage mehr nach dem Wetter oder nach der Natur, wie es die Menschen jahrtausendelang getan hatten. Die schönsten Sommertage verbrachte man als durchschnittlicher Arbeitnehmer ebenso im klimatisierten Büro, wie die eisigsten Winternachmittage. Und da wunderten sich irgendwelche Politiker oder Umweltaktivisten, wenn den Leuten der Bezug zum Klima verloren ging. Elke lenkte ihre Schritte zum Bahnhof, nahm die nächste S-Bahn in die Stuttgarter Innenstadt und ging in die Kronprinzstraße. Sie betrat das Gebäude, in dessen oberster Etage die Kanzlei Lämmerwein und Griesinger residierte, drückte den Knopf für den Aufzug und wartete. Durch das Treppenhaus klapperten eilige Schritte und kündigten das Nahen mehrerer Personen an. Die Kabine kam heruntergerauscht und öffnete sich mit einem leisen „Pling“. Elke trat hinein, drehte sich um und sah etwas, das ihr beinahe den Atem verschlug. Um die Ecke bog der Mann, den sie noch vor wenigen Stunden für einen Makler gehalten hatte. An seinem Arm hing die junge Angestellte mit dem Arschgeweih aus Carolas Kanzlei. Beide schauten mindestens ebenso erschrocken drein, wie sie selbst aussehen musste, doch währte der gegenseitige Blick nur für den Bruchteil einer Sekunde, da die Aufzugtür sich unerbittlich schloss.

***

„Erstaunlich“, sagte Emmerich und sah nachdenklich die Tür zum Vorzimmer an, die Johannes Musfeld soeben hinter sich geschlossen hatte.

„Man fragt sich, was man davon halten soll“, ergänzte Frenzel und schnupperte. „Findet ihr



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