Mord am Wannsee by Markus Dullin

Mord am Wannsee by Markus Dullin

Autor:Markus Dullin [Dullin, Markus]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Querverlag
veröffentlicht: 2015-09-13T16:00:00+00:00


Kapitel 10

Kommissar Harald Lüders hatte kaum geschlafen. Bis spät in die Nacht hinein hatte er, vor dem Computer im abgedunkelten Schlafzimmer sitzend, Informationen aus dem Internet gesammelt, die ihm bei seinen Gesprächen mit der Familie Wohlfarth behilflich sein konnten. Hinter ihm war Bernhard, sein Lebenspartner, längst eingeschlafen und schnarchte leise vor sich hin.

Was Harald zutage gefördert hatte, bezog sich meist auf das vor einigen Jahren verkaufte Familienunternehmen, von dessen Erlös sich zweifellos unbeschwert leben ließ. Des Weiteren war er auf einige Artikel der Boulevardpresse gestoßen, die vor zwei Jahren in reißerischer Aufmachung von einem tragischen Unfall berichtet hatten, bei dem einer der beiden Söhne von Philip und Anna Wohlfarth ertrunken war. Grobkörnige Aufnahmen in Schwarz-Weiß zeigten das Ufer des Grundstücks aus einiger Entfernung und Anna Wohlfarth mit Tim vor dem Gartenzaun. Mehr hatte Harald nicht erfahren können und war schließlich zu Bernhard ins Bett gekrochen, ohne ihn aufzuwecken und ohne selbst in den Schlaf zu finden.

Jetzt stand er müde vor einem Einfamilienhaus in Berlin-Zehlendorf. Weniger mondän als jenes in Kladow, dafür moderner, mit großen Fenstern und flachem Dach, lag es eingepfercht zwischen zwei alten Villen, die den Kontrast in den Bauweisen stärker hervorhoben. Der schmale Garten rund um das Haus war eine schmucklose Rasenfläche mit einem einzigen Rhododendronbusch in der vorderen linken Ecke und einer mannshohen Tanne in der gegenüberliegenden. Durch ein mit Videokameras gesichertes Gartentor in dem sichtgeschützten Zaun gelangte Harald über einen gepflasterten Weg zur geöffneten Eingangstür, in der Anna Wohlfarth ihn, nachdem er zuvor sein Gesicht in eine der kleinen Kameras gehalten hatte, bereits erwartete.

Frau Wohlfarth wirkte so unausgeschlafen wie er. Ihre Augen waren gerötet, die Haare streng zu einem Zopf gebunden und sie trug eine weite, dunkle Hose, kombiniert mit einem strassverzierten Sweatshirt, das ihre bleiche Haut unvorteilhaft hervorhob. Sie begrüßte ihn abwesend, den Kopf leicht gesenkt, führte ihn in ein helles, geräumiges Wohnzimmer mit Blick auf den rückwärtigen, ebenso schmucklosen Garten und bot ihm einen Platz an dem runden Esstisch an. Anna Wohlfarth setzte sich seitlich von ihm, von wo aus sie die Tür zum Flur ständig im Auge behielt, als erwartete sie einen weiteren, ungebetenen Gast.

Mit gedämpfter Stimme sprach Harald ihr sein Mitgefühl aus und belehrte sie über ihre Rechte, die sie nickend zur Kenntnis nahm.

„Und daher wäre es sehr hilfreich für uns“, kam Harald schließlich zu seinem eigentlichen Anliegen, „wenn Sie und Ihr Mann mir berichten könnten, was aus Ihrer Sicht vorgefallen ist.“

Anna Wohlfarth hob das Gesicht, das sie zu den auf der Tischplatte verschränkten Händen gesenkt hatte, und sah ihn unvermittelt an. „Mein Mann ist nicht hier“, sagte sie kühl. „Sein Bruder Konrad hat Tim und mich gestern Abend nach Hause gefahren.“

Den Grund dafür erwähnte sie nicht und die zu einem dünnen Strich gepressten Lippen unterstrichen ihre beharrliche Weigerung, darauf einzugehen. In ihren Augen lagen Abwehr und Vorsicht sowie der berechtigte Verdacht, dass Harald über den Zustand ihrer Ehe längst Bescheid wusste. Trauer um ihre Schwiegermutter, bemerkte er, empfand sie jedenfalls nicht. Ihre sichtliche Erschöpfung schien eher der Sorge um die kommenden Ereignisse zu entspringen, was ihre nächsten Worte bestätigten.



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