Moorteufel by Mani Beckmann

Moorteufel by Mani Beckmann

Autor:Mani Beckmann [Beckmann, Mani]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-06-19T22:00:00+00:00


3

Ich vermochte beim besten Willen nicht zu sagen, wie spät es mittlerweile geworden war. Vermutlich war die Sonne längst aufgegangen, womöglich war es sogar schon die Zeit des zweiten Frühstücks, im finsteren Keller der Mühle war mir jedwedes Zeitgefühl abhanden gekommen. Die Kerze war etwa zu zwei Dritteln niedergebrannt, und ich überlegte, wie lange sie uns noch mit Licht versorgen würde. Zwei Stunden, schätzte ich, vielleicht drei.

Den Müller schienen solche profanen Überlegungen überhaupt nicht zu kümmern. Er saß in seiner geduckten Haltung auf dem Boden und begann, mit monotoner Stimme und ohne mich dabei anzusehen, all das zu erzählen, was er seit zwanzig Jahren mit sich herumschleppte und was er in der ganzen Zeit – wie er es einst versprochen hatte – niemandem anvertraut hatte. Während er redete, verharrte er in ein und derselben gekrümmten Position, es sah beinahe so aus, als hinge er in seinen Fesseln. Nur von Zeit zu Zeit wandte er seinen Blick zur Decke, als wären seine Worte nicht an mich, sondern an eine höhere Instanz gerichtet. Er sprach langsam und schwerfällig, aber ohne Pausen und ohne dabei seine Gefühle zu offenbaren, und nur selten wagte ich, ihn zu unterbrechen und Zwischenfragen zu stellen.

Und dies ist, was er mir berichtete:

Der Vennekötter Alois Lösing war Zeit seines Lebens ein Trunkenbold und Hitzkopf gewesen. Schon als junger Bursche hatte ihm der zweifelhafte Ruf eines streitsüchtigen und wenig umgänglichen Menschen angehaftet. Bei den Schützenfesten, die in Ahlbeck bereits seit dem Großen Deutschen Krieg in regelmäßigen Abständen stattfanden, gehörte er stets zu jenen leicht aufbrausenden Burschen, die nach dem eigentlichen Fest einer ordentlichen und zünftigen Prügelei nicht aus dem Wege gingen. Bei jeglichen Gemeindefeierlichkeiten sah man ihn betrunken in der Gosse krauchen oder sich mit anderen Rabauken in den Haaren liegen, an den Sonntagen torkelte er grölend aus der Dorfschenke, und mit der Zeit war seine Sauferei nicht mehr allein aufs Wochenende beschränkt. Je mehr er trank, desto rauflustiger und mürrischer wurde er, und einen Grund oder eine Entschuldigung zum Besäufnis gab es immer. Zwar galt er als tüchtiger und fleißiger Landmann, aber ebenso nannte man es im Dorfe eine ausgemachte Sache, daß der Alkohol den Vennekötter einmal frühzeitig ins Grab bringen würde.

Alois war der älteste Sohn und damit Erbe eines nicht gerade vermögenden, aber auch nicht ärmlich lebenden Mittelbauern. Während allerdings seine jüngeren Brüder bereits in jungen Jahren geheiratet oder dem Hof den Rücken gekehrt hatten – außer dem jüngsten Sohn, dem heutigen Kolkmüller, gab es noch einen weiteren Sprößling, der das Dorf Ahlbeck verlassen hatte, um als Söldner sein Glück im Kriegsgeschäft zu suchen –, während also die Brüder in den ruhigen Hafen der Ehe einliefen oder sich bei den Uniformierten die Hörner abstießen, blieb der Menschenfeind und Raufbold Alois unverheiratet und seinem unsteten Lebenswandel treu. Zweimal bereits war er mit einem Mädchen aus dem Dorfe verlobt gewesen, aber beide Male hatte die geplante Hochzeit abgesagt werden müssen, nachdem der Moorbauer seine Verlobten im Vollrausch beinahe zu Tode geprügelt hatte. Bei dem letzten dieser Vorfälle hatte er wegen



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