Moderne Piraten by Hans Dominik

Moderne Piraten by Hans Dominik

Autor:Hans Dominik [Dominik, Hans]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Weiss
veröffentlicht: 1950-08-30T23:00:00+00:00


6 Wieder in Gorla

Zu früher Morgenstunde kam Gransfeld in das Postamt von Gorla. Dort gab es eine größere Anzahl von Schaltern mit verschiedenen Schildern. An dem einen konnte man Briefmarken in kleinen, am andern in größeren Mengen kaufen, hier waren Versicherungsmarken zu haben und dort wurden Telegramme angenommen. Jetzt fand Gransfeld, was er suchte. »Postlagernde Briefe« versprach das Schild über einem fünften Schalter. An diesen trat er heran.

Das Glasfenster war heruntergelassen. Ein anderes Schild stand dahinter: »Für kurze Zeit geschlossen.«

Ungeduldig stampfte Gransfeld auf den Boden. Verwünscht, wenn man’s so eilig hatte wie er und die Herren Postbeamten gingen frühstücken oder waren sonstwie unabkömmlich! Jede Minute war kostbar. Es konnte kritisch werden, wenn die Person, die hinter der Chiffre X. C. 17 steckte, ihm zuvorkam oder gar mit ihm am Schalter zusammentraf.

Er sah sich im Raum um. Dort war ein Mann, der gerade ein Telegramm aufgab, da ein Kind, das von dem Schalter »Briefmarken in größeren Mengen« an den andern »Briefmarken in kleinen Mengen« verwiesen wurde, vier Fünfpfennigmarken verlangte und auch erhielt. Neben ihm, vor dem geschlossenen Schalter, stand ein jüngeres weibliches Wesen mit einem Marktkorb. Eine Hausangestellte konnte es sein, die ebenso ungeduldig wartete wie er selbst. Verstohlen musterte er sie. Von den postlagernden Briefen abgesehen, war alles andere auch an den andern Schaltern zu haben. Kaum ein Zweifel, daß diese Anna oder Minna gleichfalls Interessentin für postlagernde Briefe war. Nur die Frage blieb noch unentschieden, ob sie wohl für eigene Rechnung oder etwa im Auftrage eines Dritten kam. Dumm, wenn X. C. 17 jener Dritte war. Ungeschickter noch, wenn X. C. 17 etwa selber kam, was doch schließlich jeden Augenblick geschehen konnte. Mit wachsender Unruhe behielt Gransfeld die Eingangstür zum Postamt im Auge.

Ein Geräusch hinter ihm veranlaßte Gransfeld, sich umzudrehen. Das verhängnisvolle Schild wurde weggezogen, das Schalterfenster ging in die Höhe. Schneller als er war das Mädchen mit dem Korb am Fenster, setzte zum Sprechen an, stotterte, wurde rot und verlegen, versuchte es nochmals und verhaspelte sich dabei erst recht.

Der Beamte versuchte ihr zu helfen. »Na, na, Fräuleinchen, mal erst ganz ruhig! Mir können Sie alles sagen. Sie wollen wohl einen postlagernden Brief abholen? Von Ihrem Bräutigam natürlich, Fräuleinchen. Was soll’s denn sein?«

»Ach ja, Herr Sekretär! Ich – ich wollte – sollte mal fragen, ob nicht unter ›Röschen‹ was da ist.«

Der Beamte griff in ein Fach hinter sich, zog einen Stapel von Briefen heraus und blätterte sie mit berufsmäßiger Geschwindigkeit durch. »Hier, Fräuleinchen, da haben wir’s ja, ein Brief für ›Röschen‹. Die Post sorgt für alle ihre Kunden.«

Das Mädchen nahm den Brief in Empfang und zog vergnügt ab.

Gransfeld trat an den Schalter. »Ich erwarte postlagernde Briefe unter Chiffre X. C. 17.«

Gewohnheitsmäßig begann der Beamte den Stapel zu durchblättern.

»X. C. 17.« Während er die Chiffre halblaut wiederholte, hielt er plötzlich mit dem Blättern inne. Irgendein Bedenken schien ihm zu kommen. Prüfend musterte er Gransfeld und fragte dann: »Ich habe doch recht verstanden? X. C. 17 sagten Sie?«

Gransfeld hatte das Zögern bemerkt. Blitzschnell arbeitete sein Gehirn. Nur eine Erklärung gab es für das merkwürdige Verhalten des Beamten.



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