Mit den Augen der Liebe by Marie Louise Fischer

Mit den Augen der Liebe by Marie Louise Fischer

Autor:Marie Louise Fischer [Fischer, Marie Louise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2017-04-20T00:00:00+00:00


8

Am nächsten Tag – es war ein Sonntag – stand Professor Bergmeister, wie üblich, Stunden früher als seine Frau auf, frühstückte allein und zog sich dann in sein Arbeitszimmer zurück. So kam es, daß er ihr erst beim Mittagessen begegnete.

Er plauderte von diesem und jenem, um ihr Gelegenheit zu geben, von sich aus eine Erklärung über den gestrigen Abend abzugeben. Erst als sie dazu keine Anstalten machte, sagte er wie beiläufig: „Übrigens wollte ich dich gestern abend vom Kino abholen. Schade, daß ich dich verpaßt habe.“ Er sah sie dabei nicht an, tat vielmehr so, als wenn er angelegentlich mit dem Zerschneiden des Bratens beschäftigt wäre.

„Ach, das tut mir leid“, sagte sie nur.

„Na, immerhin, der Spaziergang an der frischen Luft war ganz angenehm. Hilpert und ich hatten einiges zusammengequalmt, wie du dir denken kannst.“

„Ja. Sicher. Hat er dir übrigens helfen können?“

Veras Wunsch, das Thema zu wechseln, war so offensichtlich, daß er, obwohl er es eigentlich nicht vorgehabt hatte, nun doch den Kopf heben und sie ansehen mußte.

„Unbedingt. Du weißt, wie große Stücke ich auf ihn halte. Übrigens hat er mich auch zum Kino begleitet …“

„Ach ja. Er wohnt in der Richtung.“

„Merkwürdig, daß wir dich nicht getroffen haben …“

„Na ja“, sagte Vera mit einem Achselzucken, „ich habe ja nicht geahnt, daß du mich abholen kommen würdest. Es war ja ein ziemliches Gedränge. Wo hast du denn gestanden?“

„Bei der Laterne.“

„Ach so. Dann verstehe ich alles. Wenn man selber im Licht steht, kann man das, was sich im Dunkeln abspielt, kaum erkennen. Und dann noch du mit deinen schlechten Augen!“

„Wie hat dir denn ,Bengali‘ gefallen?“ – Er merkte, daß sie zögerte, hoffte inständig, sie würde jetzt die Wahrheit sagen – irgendeine harmlose, glaubhafte Erklärung finden.

Aber sie spürte seine Gedanken nicht. „Ach, ganz ehrlich“, sagte sie mit einem unechten kleinen Lachen, „war ich ein bißchen enttäuscht. Natürlich hat der Film faszinierende Passagen, aber im großen und ganzen …“

Sie stockte, als er seine Serviette zusammenknüllte, sie auf den Tisch warf. Er stand so unbeherrscht auf, daß er sein Glas umstieß. Der rote Wein schwappte über den weißen Damast.

„Klaus!“ rief sie erschrocken. „Was ist los? Ist dir nicht gut?“

„Sehr richtig“, sagte er mit eisiger Stimme, „mir ist übel. Speiübel von deinen verdammten Lügen.“

„Aber, Klaus, ich weiß gar nicht …“

„Aber ich weiß! Du bist nicht im Kino gewesen, du kannst nicht dort gewesen sein … jetzt laß mich mal sprechen, ja, bitte! Du wirst bald genug von mir erlöst sein! ,Bengali‘ ist gestern abend gar nicht gegeben worden!“

Er sah, wie sie sich auf die Lippen biß – alles Blut war aus ihren Wangen gewichen –, und verließ wortlos das Zimmer.

Vera blieb allein vor dem verwüsteten Mittagstisch.



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