Mira und die verwunschenen Kugeln (German Edition) by Ruile Margit
Autor:Ruile, Margit [Ruile, Margit]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: arsedition
veröffentlicht: 2012-08-19T22:00:00+00:00
14. Kapitel
in dem Mira ein Versprechen erneuert
»Das ist der Keller der schwarzen Hexe!«, staunte Mira.
»Ich würde noch lauter schreien!«, flüsterte der Zwerg. »Willst du, dass sie uns hört?«
Mira biss sich auf die Lippen und sah sich in dem Dämmerlicht um.
Der Keller war vollkommen geräumt. Nichts war mehr von dem Gerümpel vom letzten Mal zu sehen.
»Es ist so leer«, murmelte Mira.
»Ich habe dir doch gesagt, dass sie alles abtransportiert haben«, erklärte der Zwerg ungeduldig.
»Und ich habe dir gesagt, dass ich dich hierherbringe.« Mira grinste etwas schief. »War vielleicht ein kleiner Umweg, zugegeben.«
Der Zwerg zog es vor, nichts zu erwidern. Mira ging zur Kellertür. Sie drückte die Klinke, doch die Tür war verschlossen. Wie sollten sie nur hier wieder herauskommen, ohne dass die schwarze Hexe etwas merkte?
»Heb mich hoch!«, murmelte der Zwerg. »Ich werde mit Najade sprechen. Vielleicht kann sie uns öffnen!«
Mira streckte sich und hob den Zwerg auf Höhe der oberen runden Türkante. Dort war eine Spalte, durch die ein wenig Licht in den Keller fiel.
Der Zwerg bebte vor Aufregung. »Najade! Najade, Liebste. Kannst du mich hören?«
Sie warteten eine Weile. Doch der Maskaron auf der anderen Seite der Mauer blieb stumm.
»Najade!«, flehte der Zwerg. »Du musst uns helfen!«
Und wieder warteten sie, doch es kam keine Antwort. Durch die Türritze pfiff nur der Wind. Der Zwerg zitterte noch heftiger. Mira stellte ihn auf den Boden.
»Ich versuche mal, nach oben zu sehen!«, murmelte sie. »Vielleicht kommen wir ja durch die Haustür unbemerkt nach draußen.«
Schräg gegenüber der Kellertür befand sich eine Treppe. Mira ging zu den Stufen und ertastete einen Lichtschalter neben dem Treppenlauf.
Doch die Glühbirne über ihr blieb aus und Mira musste im Dunkeln die Stufen hochsteigen. Oben führte eine kleine Tür in die Wohnung der Hexe. Vorsichtig, ganz vorsichtig drückte Mira die Klinke herunter. Sie wartete ein paar Sekunden, doch nichts geschah. Schließlich trat sie in eine lang gestreckte Diele, die zu ihrem Erstaunen fast genauso dunkel war wie der Keller. Auf Zehenspitzen schlich sie weiter. Dabei warf sie einen Blick in die Zimmer links und rechts. Sie waren leer. Es gab keine Teppiche, keine Möbel, keine Bücher.
Schwere, dunkle Vorhänge sperrten das Sonnenlicht aus. Nur ab und zu drang es durch die Schlitze des Stoffes und zeichnete leuchtende Striche auf den staubigen Parkettboden.
Neugierig tastete sie sich die Treppe zum ersten Stock hinauf. Jeden Moment erwartete sie, die schneidende Stimme Arachondas hinter sich zu hören. Doch alles, was sie vernahm, waren ihre eigenen Schritte, die eigenartig laut in dem verlassenen Haus hallten.
Als sie oben ankam, bot sich ihr der gleiche Anblick wie im Erdgeschoss.
Nichts war übrig geblieben von den blitzenden Zahnrädern und Maschinen. Nichts. Kein Blatt, keine Schraube, keine Erinnerung.
Über die schmale Holzstiege gelangte Mira in die Dachkammer. Dort war die Luft stickig, und wie ein schwarzes Loch gähnte der Kamin in einer Ecke. Darüber befand sich ein großer weißer Fleck, wo einst der Spiegel war, über den Hippolyt die schwarze Hexe beobachtet hatte. Mira wollte schon wieder gehen, da sah sie, dass direkt über dem Kamin kleine Buchstaben eingeritzt waren. Sie trat näher und las, was da stand:
TEMPUS FUGIT
»Tempus fugit«, wiederholte Mira.
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