Menschen im August. Roman by Sergej Lebedew

Autor:Sergej Lebedew [Lebedew, Sergej]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104020297
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-10-24T16:00:00+00:00

2

Am nächsten Tag gingen wir bis zum Mittag ohne Halt. Aber dann, als die Sonne im Zenit stand und uns auf den Kopf brannte, schlugen Mussa und Dschalil vor, Rast zu machen; offenbar wollten sie besprechen, ob sie einen solch rätselhaften Führer brauchten.

Aber ich fühlte, dass wir noch weitergehen mussten. Auf dem Weg waren wir an Orten vorbeigekommen, die der Jeep nie hätte durchqueren können – und an denen es Spuren von Lastern mit erhöhter Geländegängigkeit gab. Einige Stunden später, nachdem wir mitten im Sumpf eine langgestreckte, sandige Stelle passiert hatten, entdeckten wir eine kleine Brücke über ein Flüsschen; ihre morschen Balken waren an einer Stelle zerfasert, zerspant von einem Autoreifen, der sich festgefahren hatte und durchgedreht war; die Späne waren noch ganz frisch.

Meine vier Weggefährten untersuchten die Brücke; das Auto schien hier einige Male durchgefahren zu sein, wir fanden Zigarettenstummel – der Fahrer und diejenigen, die ihm geholfen hatten, den Lastwagen anzuschieben, hatten geraucht; allen war klar, dass ein Auto in dieser menschenleeren Gegend allein noch nichts zu bedeuten hatte, aber alle freuten sich, das es wenigstens irgendeine Spur gab.

Gegen Abend führte uns der Weg zu einer Siedlung – sie war schon vor Jahren verlassen worden. Ein unangenehmes Vorgefühl schnürte mir die Kehle zu: Verwilderung, Verlassenheit sind nicht untätig, jedes lebendige Wesen, sei es Mensch oder Tier, lernte etwas auf diesem vermüllten Ödland, veränderte sich, und diese Veränderungen wurden vererbt, es kamen andere zur Welt, die inmitten dieser Verheerung überlebensfähig waren.

Die Siedlung lag in Trümmern. Beim Verlassen hatten die Bewohner zum Abschied aus Verzweiflung oder Übermut – ach, geh doch alles zum Teufel! – Scheiben eingeschlagen, Barackentüren ausgehängt, Möbel zertrümmert, als Tapeten dienende Zeitungen von den Wänden gerissen. In der Siedlung gab es ein kleines Labor, dort war wahrscheinlich die Qualität des Nutzholzes getestet worden, und dieses Labor hatte am meisten abbekommen. Ihren Wohnraum hatten sie eilig zerschlagen, hier und da eine Pritsche oder ein Waschbecken heilgelassen, aber die Regale mit den Karteikarten und die Apparate waren mit Beilen, Hacken und Spaten der Feuerwehr zertrümmert worden; die verbogenen Werkzeuge lagen daneben auf dem Boden.

Die Zerstörung hatte sich durch die Naturgewalten vervielfacht; die Dächer waren löchrig, die Fußböden angefault, in den Baracken machte sich Schimmel breit. Eigentlich war diese Siedlung getötet worden – von seinen eigenen Bewohnern; hier gab es etwas, was für ein Haus, ein Obdach völlig widernatürlich und unzulässig war – der Ort wirkte unheilvoll und zum Leben unbrauchbar.

Warum mussten sie die Türen aushängen und die Fensterrahmen zerschlagen? Allem Anschein nach hatten diese Menschen in einer Art hysterischem Anfall das Leben befehdet und ihre Müdigkeit, ihre Angst an Häusern, Möbeln und persönlichen Gegenständen ausgelassen; das Transformatorenhäuschen war aus Gewehren beschossen worden, die Stromleitungsmasten wurden mit Planierraupen umgekippt, die Holzstapel waren umgeworfen worden, die Ecke einer Baracke hatte ein Bulldozermesser abgesägt, und vielleicht hätten sie die Siedlung auch gänzlich niedergerissen, aber ihre Angst und Bosheit waren zu abgelagert und feucht, hatten sich nur widerwillig entzündet und waren schnell erloschen; selbst dieser Gehässigkeit hatte es an endgültiger Entschlossenheit gefehlt –

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