Mein Bruder Che by Guevara Juan Martín; Vincent Armelle

Autor:Guevara, Juan Martín; Vincent, Armelle [Guevara, Juan Martín; Vincent, Armelle]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Che Guevara, Sachbuch, Gesellschaft, Kuba, Geschichte, Revolution, Autobiographie, Familie, Geschwister, Bruder, 20. Jahrhundert, Briefe, Tagebuchaufzeichnungen
Herausgeber: Tropen
veröffentlicht: 2017-04-10T22:00:00+00:00

Fidel,

in dieser Stunde tauchen so viele Dinge in meiner Erinnerung auf: der Tag, an dem ich dich bei María Antonia zu Hause kennenlernte, wo du mir vorschlugst, dich zu begleiten, und die ganze Aufregung, die mit den Vorbereitungen verbunden war.

Eines Tages wurden wir gefragt, wer im Falle des Ablebens benachrichtigt werde solle, und plötzlich durchzuckte uns die Möglichkeit zu sterben wie ein Blitz. Danach lernten wir, dass sie sehr real war und dass man in einer Revolution (wenn es wirklich eine ist) nur siegen oder sterben kann. Groß ist die Zahl unserer Kampfgefährten, die auf dem Weg zum Sieg gefallen sind.

Heute ist unser Tonfall weniger pathetisch, wir sind reifer geworden; doch die Geschehnisse wiederholen sich. Ich habe den Eindruck, dass ich den Teil meiner Aufgabe, der mich mit der Kubanischen Revolution auf ihrem eigenen Boden verband, erledigt habe, und ich nehme Abschied von dir, von meinen Kampfgefährten, von deinem Volk, das nun auch das meine ist.

Ich trete hiermit formal von meinen Parteiaufgaben und meinem Amt als Minister zurück, ich lege meinen Dienstgrad als Comandante und meine kubanische Staatsangehörigkeit ab. Von heute an bindet mich kein juristisches Band mehr an Kuba. Was mich verbindet, sind Bande anderer, tieferer Art, von denen man sich nicht lossagen kann wie von einem Titel oder einem Dienstgrad.

Wenn ich mein Leben Revue passieren lasse, glaube ich, mit hinreichender Redlichkeit und Hingabe mich um die Festigung des Triumphs der Revolution bemüht zu haben. Der einzige gravierende Fehler, den ich vielleicht begangen habe, war, dass ich von den ersten Augenblicken in der Sierra Maestra an nicht noch mehr Vertrauen in dich hatte und nicht noch früher deiner Qualitäten als Revolutionär und Menschenführer gewahr wurde.

Ich habe großartige Tage erlebt und an deiner Seite gespürt, was es heißt, in den leuchtenden und den tristen Zeiten der karibischen Krise unserem Volk anzugehören. Selten war ein Staatschef unter vergleichbaren Umständen so brillant, und ich beglückwünsche mich dafür, dir ohne Zögern gefolgt zu sein, dafür, dass ich daran teilhaben konnte, wie du gedacht, Gefahren erkannt und Prinzipien hochgehalten hast.

Andere Länder dieser Erde fordern nun die Mitwirkung meines bescheidenen Einsatzes. Ich kann tun, was dir aufgrund deiner Verantwortung als erstem Mann in Kuba versagt ist. Die Stunde ist gekommen, da wir auseinandergehen.

Du sollst wissen, dass ich das mit einer Mischung aus Freude und Schmerz tue; ich lasse die reinsten meiner Hoffnungen als Erbauer zurück und die liebsten unter all den geliebten Menschen … und ich lasse ein Volk zurück, das mich angenommen hat wie einen Sohn. Ich fühle, wie mich das zerreißt. Auf den neuen Schlachtfeldern werde ich in mir den Glauben tragen, den du mir eingeimpft hast, den revolutionären Geist meines Volkes, das Gefühl, die heiligste aller Aufgaben zu erfüllen: gegen den Imperialismus zu kämpfen, wo er sich auch zeigt; eine solche Mission verleiht immer wieder neue Kraft und heilt die tiefsten Wunden.

Ich wiederhole noch einmal, dass ich Kuba aus jeder Verantwortung entlasse außer der einen, mit gutem Beispiel voranzugehen. Wenn eines Tages unter einem anderen Himmel meine letzte Stunde schlägt, wird mein letzter Gedanke diesem Volk und allem voran dir gelten.

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