Mehr Zeit mit Horst by Seltmann Ingeborg
Autor:Seltmann, Ingeborg [Seltmann, Ingeborg]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 978-3-644-50071-6
Herausgeber: Rowohlt Digitalbuch
veröffentlicht: 2014-03-24T16:00:00+00:00
Horst klebte eine große Italienkarte an die Tür seines Arbeitszimmers und markierte darauf mit grünen Stecknadeln die FünfSterne-Campingplätze. Das waren Anlagen mit spektakulärem Blick auf eine Steilküste, Internetanschluss, Indoor-Spielplätzen, Massageangeboten, Ponyreitplätzen − oder Hundeduschen. Mit roten Stecknadeln markierte er die touristischen Höhepunkte auf einer Linie zwischen Alpenhauptkamm und Tiber: lombardische Kathedralen, palladianische Villen, etruskische Nekropolen, toskanische Palazzi.
Leider stellte sich an diesem Punkt der Reiseplanung heraus, dass es sehr viel mehr rote Stecknadeln als grüne gab und dass sie sich in keinem Punkt deckten. Er fragte mich, was mir lieber sei: Einzelwaschkabinen/heizbar an der Adria oder Gruppentoiletten/witterungsausgesetzt in unmittelbarer Nähe von Kathedralen, Museen und Nekropolen.
Ich erinnerte mich wieder an den armen Fritz, der ohne seinen Franz keine vierundzwanzig Stunden überlebt hatte, und antwortete, dass komfortable Duschkabinen beziehungsweise Hundeduschen bei meinen Lebensentscheidungen noch nie eine nennenswerte Rolle gespielt hätten. Er freute sich sichtlich darüber, gab mir einen Kuss und sagte: «Gabi, ich finde es toll, dass du noch so unkompliziert bist! Du darfst auch bestimmen, wo es hingeht. Was ist dir lieber: die Villen des Veneto, die florentinische Protorenaissance oder die umbrischen Bergstädte?»
Diese Frage brachte mich in einige Verlegenheit. Ich musste eine Zeitlang nachdenken, aber dann wusste ich, was ich wollte: «Horst, ich möchte für mein Leben gerne noch einmal nach Venedig, und diesmal auf den Lido. Du weißt schon, Gustav Aschenbach im weißen Leinenanzug und dieser traumschöne, blutjunge Pole. Thomas Mann, ich meine, Aschenbach sitzt im Sand und verzehrt sich nach diesem ätherischen Knaben. Tod in Venedig, auf dem Lido, Horst! Wie findest du das?»
Horst deutete wortlos auf die Karte. Ich verstand sofort. Dort gab es weder grüne noch rote Stecknadeln. Thomas Manns ätherische Liebesstätte war eine campingfreie Zone.
Das machte mich ein wenig rat- und mutlos. Ich tigerte durch Horsts Arbeitszimmer, auf der Suche nach dem idealen italienischen Reiseziel. Bis mein Blick auf eines der aufgeschlagenen Bücher auf Horsts Schreibtisch fiel. Ich sah darin ein Gemälde mit zwei braungebrannten, unbekleideten und sehr muskulösen Ringkämpfern. Daneben die Abbildung eines unbekleidet tanzenden Liebespaares, er hatte die Oberschenkel eines Zehnkämpfers, sie einen weißen Lilienkörper. Und das dritte Bild zeigte einen Mann mit starkem Bizeps und spärlicher Bekleidung, der an einem Tisch lagerte und gerade ein Ei verspeiste.
Liebe, muskulöse Männer und gutes Essen – ich fand das sehr sympathisch und sagte: «Das hier sieht wirklich gut aus. Horst, was hältst du davon?»
«Du interessierst dich für die Etruskergräber von Tarquinia? Für etruskische Nekropolen, Gabi? Vetulonia! Populonia! Tarquinia! Gabi, ich finde das wunderbar! Mal abseits der üblichen Trampelpfade! Das wird ja fast ein kleines Abenteuer! Und auf der Rückreise sehen wir uns Florenz an.»
Er gab mir noch einen Kuss, und so war die Sache beschlossen.
Horst vernachlässigte weiter die Korrektur seiner Klassenarbeiten. Er kaufte eine Fliegenklatsche, ein tropentaugliches Weltempfängerradio und einen Eimer, in dem ich das schmutzige Geschirr zum Waschplatz tragen würde, sowie mehrere Etruskerführer.
Ich dagegen rief Maxi an. Ich sagte: «Ich weiß definitiv, dass du in den Pfingstferien keine Exkursion hast. Also, damit das klar ist: Du kommst nach Hause und passt auf die Katze auf. Ihr
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