Medusa by Thomas Thiemeyer

Medusa by Thomas Thiemeyer

Autor:Thomas Thiemeyer
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2012-09-03T22:00:00+00:00


16

Chris spürte das Jagdfieber in sich aufsteigen. In diesem Augenblick spielte Strombergs Auftrag keine Rolle mehr. Es spielte auch keine Rolle mehr, ob, wann oder von wem sie gerettet wurden. Jede Faser seines Körper war von dem Wunsch beseelt, endlich herauszufinden, wie es dort unten weiterging. Mittlerweile war er bereit, zu glauben, dass man ihn auf den sagenumwobenen Schatz König Salomons angesetzt hatte – oder auf die Entdeckung von Atlantis.

Den anderen schien es ähnlich zu gehen. Getrieben von Neugier und Wissensdurst eilte die Gruppe im Laufschritt die Stufen hinab. Patrick hatte sich nicht getäuscht. Die Luftfeuchtigkeit nahm rapide zu. Mit jedem Schritt wurde die Luft trüber. Nebelschwaden waberten in die Höhe und verschleierten den Blick auf das, was sich dort unten befinden mochte. Chris hob den Kopf. Der Geruch von vermoderten Pflanzen stieg ihm in die Nase, während das Plätschern lauter wurde. Immer undurchdringlicher wurde der Nebel. Die Ursache dafür war Chris schleierhaft. Selbst als promovierter Klimatologe konnte er sich nicht erklären, wie sich innerhalb eines abgeschlossenen Raumes ein solch stark differenziertes Mikroklima bilden konnte. Die Abfolge von trockener Luft im oberen Bereich bis hin zu tropischen Nebeln in den unteren Schichten war unter normalen meteorologischen Bedingungen nicht erklärbar. Doch die Erforschung dieses Phänomens hatte zu warten. Zuerst mussten sie herausfinden, was sich hier unten verbarg.

Chris war einer der Ersten, die das Ende der Treppenflucht erreichten. Gemeinsam mit Gregori, der sich sehr gut von seinem Unfall erholt zu haben schien, erwartete er die Ankunft der anderen. Die Sicht betrug weniger als zwanzig Meter. Das Geräusch, das vor ihnen aus dem Nebel drang, klang nicht mehr nach einem Bach oder einem Tümpel. Es musste sich um eine größere Wasserfläche handeln, einen See vielleicht. Möglicherweise war das Wasser sogar trinkbar.

Endlich schloss auch der Rest der Gruppe zu ihnen auf. Beruhigt stellte Chris fest, dass niemand fehlte. Bei dieser schlechten Sicht konnte man sich schnell verlieren. Sie durften jetzt nicht leichtsinnig werden und mussten unbedingt zusammenbleiben.

»Großer Gott, ich spüre meine Beine kaum noch«, lamentierte Malcolm. »Bei Stufe zweitausend habe ich zu zählen aufgehört. Schrecklich die Vorstellung, dass wir da wieder hinaufmüssen.«

Malcolms Beschwerderufe kamen so sicher wie das Amen in der Kirche, und Chris hätte einen Hunderter darauf verwettet, dass sie auch diesmal nicht ausbleiben würden. Andererseits hatte er sich schon so an das Gejammer gewöhnt, dass er es schmerzlich vermisst hätte, wäre es ausgeblieben.

»Alle da? In Ordnung, dann können wir weitergehen. Und Irene …«, er deutete auf die Lampe, »… du solltest jetzt besser das Licht löschen. Die natürliche Helligkeit ist hier unten groß genug. Wir müssen Gas sparen, außerdem blenden die Lampen.«

Irene überlegte kurz und drosselte dann die Gaszufuhr. Im Nu waren sie umgeben von weichem, grünem Zwielicht. Chris hatte völlig Recht. Das Licht hier unten war mehr als ausreichend. Als befänden sie sich im Inneren einer gigantischen Uhr mit Leuchtzifferblatt. Chris und Gregori gingen weiterhin an der Spitze und steuerten in die Richtung, in der sie das Zentrum der Kaverne vermuteten. Der Boden war seltsam flach, als wäre er künstlich eingeebnet worden.



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