Medienhandeln zwischen Kompetenz, Performanz und Literacy by Christine W. Trültzsch-Wijnen
Autor:Christine W. Trültzsch-Wijnen
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783658295349
Herausgeber: Springer Fachmedien Wiesbaden
6.2 Der Mehrwert einer Unterscheidung zwischen Kompetenz und Performanz
Media literacy muss in einer mediatisierten Gesellschaft als transversale Fähigkeit betrachtet werden, die in vielen sozialen Feldern von Bedeutung ist. Daher ist dieser Terminus auch zu einem internationalen bildungspolitischen Schlagwort avanciert. Aus bildungspolitischer Perspektive bezieht sich media literacy auf die Beteiligung an demokratischen Prozessen und die damit verbundene Herstellung einer kritischen Öffentlichkeit, auf die Förderung des lebenslangen Lernens mithilfe von Medien und die Unterstützung des kulturellen Selbstausdrucks sowie auf persönliche Erfüllung durch die Nutzung von Medien, aber auch auf berufliche Bildung und Vermittelbarkeit auf einem Arbeitsmarkt, der zunehmend von digitalen Technologien geprägt ist. Vor allem letzteres ist eine Ursache dafür, warum in bildungspolitischen Diskursen der Fokus zunehmend auf den Umgang mit digitalen Medien (digial literacy) gelenkt wird (Abschn. 5.2.2.3).
In einer mediatisierten Gesellschaft kann media literacy darüber hinaus auch als Kinderrecht (Abschn. 5.2.2.1) definiert werden, da ein selbstbestimmter, selbstsicherer und kompetenter Medienumgang in einem digitalen Medienumfeld die Voraussetzung für eine umfangreiche Wahrnehmung und Realisierung basaler Schutzrechte, Beteiligungsrechte und des Rechts auf Entwicklung und Förderung darstellt. Die Förderung von media literacy wird damit zu einem unabdingbaren Mittel der Realisierung einer selbstbestimmten Teilhabe Heranwachsender an einer mediatisierten Gesellschaft. Aber auch Erwachsene haben das Recht, selbstbestimmt an einer mediatisierten Gesellschaft zu partizipieren und ihre Rechte sowohl im digitalen Medienumfeld, als auch darüber hinaus wahrzunehmen und durchzusetzen; daher sollte media literacy nicht nur zu einem Kinderrecht, sondern zu einem allgemeinen Menschenrecht erhoben werden.
Weil media literacy in der heutigen Gesellschaft eine große Bedeutung zukommt und sie daher in unterschiedlichen Kontexten diskutiert wird, erweist sich eine eindeutige Definition als schwierig (Abschn. 5.2.1.4). Um, einer mediatisierten Gesellschaft entsprechend, alle analogen und digitalen Medien angemessen zu berücksichtigen, hat sich eine breite Definition als sinnvoll erwiesen. Ein großer internationaler und interdisziplinärer wissenschaftlicher sowie bildungspolitischer Konsens liegt der Paris Declaration on Media and Information Literacy in the Digital Era (UNESCO, Frau-Meigs et al. 2014) zugrunde.
Diese umfassende Definition der UNESCO Paris Declaration bleibt allerdings normativ, fehlt ihr doch der Verweis auf die soziale Einbettung und Determinierung von media literacy. Dies findet sich jedoch in der Auseinandersetzung mit multimodal literacy innerhalb der New Literacy Studies (NLS) (Abschn. 5.2.1.3). Literacy wird aus dieser Perspektive immer schon als soziale Praxis und weniger als Summe von verlangten Fähigkeiten und Fertigkeiten betrachtet. Der Fokus liegt auf der Dynamik von literacy practices und ihrer Verwebung mit sozialen Prozessen, Kontexten, Diskursen und kulturellen Normen. Für die weitere Auseinandersetzung empfiehlt sich daher die Integration dieser Perspektive in ein umfassendes Konzept von media literacy, denn so wird auf die soziale Determinierung und die Bedeutung des praktischen Sinns sensu Bourdieu für die Umsetzung von media literacy bzw. multimodal literacy in tatsächliches Medienhandeln verwiesen. Darüber hinaus werden im Diskurs über multimodal literacy ebenso Formen sozialer Benachteiligung sowie gesellschaftliche Machtgefälle diskutiert, die in der Auseinandersetzung mit media literacy bislang nur marginal berücksichtigt wurden. Die Erweiterung des media literacy-Konzepts um die Perspektive der New Literacy Studies ermöglicht es daher, media literacy nicht nur auf operationaler, sondern auch auf kultureller und kritischer Ebene zu betrachten.
Dies kommt dem deutschsprachigen Diskurs um Medienkompetenz nahe (Abschn.
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