Matto regiert by Glauser & Friedrich

Matto regiert by Glauser & Friedrich

Autor:Glauser & Friedrich [Glauser, Friedrich]
Format: epub
Tags: Mystery & Crime
Herausgeber: MTH+R Editions


Studers erster psychotherapeutischer Versuch

Studer stand auf, zwängte sich hinter dem Tisch hervor, ging auf die Tür zu, die vom Wartesaal ins Nebenzimmer führte, bemerkte einen Lichtschalter, außen am Türpfosten, drehte ihn… Drinnen wurde es hell.

Dann trat er ein.

Des Bundesratsattentäters spärliche Haare standen nach allen Richtungen vom Kopf ab. Zwischen ihnen schimmerte die Kopfhaut rosa. Unter den Augen hatte Schmocker dicke Säcke, die fast bis zu den Mundwinkeln reichten, und sie schienen mit Gift gefüllt zu sein.

»Herr Schmocker«, sagte Studer freundlich und setzte sich auf den Bettrand, »könntet ihr mir sagen…«

Weiter kam er nicht. Mit hoher Stimme kreischte der Mann: »Weit i-i-hr vo mym Bett achegaaa?«

Gehorsam stand Studer auf. Man darf Verrückte nicht reizen, dachte er. Und dann wartete er, bis der kleine Mann sich abgeregt hatte.

»Ich möcht gern wissen, Herr Schmocker, ob ihr den Schlüssel vom Nachtwärter Bohnenblust gefunden habt…«

»Dr syt en verdammter, windiger Schroter, das syt dr. Und machet, daß dr zu myner Bude use chömmet. Dr heit da nüt z'sueche… Verschtande?«

Und drohend stand Herr Schmocker auf, seine Kniekehlen faßten Stützpunkt am Bettrand.

»Aber Herr Schmocker«, sagte Studer immer noch freundlich, bedenklich war vielleicht nur, daß er begann, Schriftdeutsch zu sprechen. Andere hatten die Bedeutung dieses Vorzeichens unangenehm empfinden müssen. »Ich möchte von Ihnen nur eine kleine Auskunft haben…«

Doch der Bundesratsattentäter fluchte weiter. Seine kleine geballte Faust bewegte sich drohend vor Studers Nase, Schimpfworte drangen zwischen den weißlichen Lippen hervor, ein ganzer Sturzbach, eine Kloake eher.

»Schweigen Sie!« sagte Studer plötzlich ernst und fest.

Der Mann dachte nicht daran, dem Befehl Folge zu leisten. Seine nackten behaarten Beine, die unten aus dem Nachthemd herausragten, vollführten einen Kriegstanz, und wirklich! wahrhaftig! das rechte Knie hob sich, um den Wachtmeister in den Bauch zu stoßen.

Das war zuviel! Der Nachtwärter Bohnenblust, der an der Türe stand, kam mit den Augen gar nicht nach. Es klatschte. Einmal. Zweimal. Dann lag der neuzeitliche Tell bäuchlings auf dem Bett und Studers Hand fiel nieder, zwei-, drei-, viermal. Ein wenig wurde das Klatschen vom Stoff des Nachthemdes gedämpft.

»Brav!… So!… Ganz brav!« Studer hob die auf den Boden gerutschte Decke auf, deckte Schmocker zu. »Und jetzt antwortet! Habt ihr den Schlüssel genommen?«

Die Antwort kam wimmernd, wie von einem trotzigen Kind:

»Ja… a… a…«

»Warum?«

Unter wütendem Schluchzen:

»Weil ich doch nicht mit einem Mörder das Zimmer teilen wollte…«

»De spinnt ja!…« sagte Studer erstaunt, wandte sich um und sah den Bohnenblust unter seinem Schnurrbart lächeln. Und plötzlich fiel es ihm wieder ein: Er war ja im Irrenhaus! Und wunderte sich, daß einer sich erlaubte, zu spinnen! Auch er mußte lächeln. Dann schritt er zur Tür. Bevor er sie abschloß, hörte er noch:

»Und ig appelliere as Bundesg'richt!«

»Das chönnet dr sawft tue…« sagte Studer ganz versöhnt.

Bohnenblust erzählte, er habe sich während der Sichlete auf Schmockers Bett gesetzt, und es sei möglich, daß ihm dabei der eine Passe aus der Tasche gerutscht sei… Niemals sei ihm das passiert… Aber anders könne er sich die Sache nicht erklären… Studer nickte. Soweit war alles in Ordnung. Blieb noch der Dreikant, und dann stand es fest, daß Pieterlen Pierre die Abteilung hatte verlassen können, ohne Hilfe von außen… Und auch die Heizung hatte er öffnen können.



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