Marlenes Geheimnis by Riebe Brigitte

Marlenes Geheimnis by Riebe Brigitte

Autor:Riebe, Brigitte [Riebe, Brigitte]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-Diana HC
veröffentlicht: 2017-07-03T09:53:49+00:00


10

Storkow, 1945

Sie werden sie mir wegnehmen«, sagte Eva leise. »Jeden Tag denke ich von früh bis spät daran. Mit dieser Lüge kommen wir nicht durch. Inzwischen wünschte ich, ich hätte sie niemals ausgesprochen!«

Sie lagen auf den schmalen Pritschen, eigentlich Kopf- an Fußende, aber Eva hatte sich einfach umgedreht, um der Freundin näher zu sein. Die vier anderen Frauen, die hier ebenfalls untergebracht waren, hatten die Krätze und waren in den entsprechenden Isolationsblock überführt worden, um dort auszuheilen. So hätten Eva und Molly eigentlich ausnahmsweise unbefangen reden können, doch die ständige Vorsicht war ihnen inzwischen zur Gewohnheit geworden. Außerdem war Leni wie ein kleiner Schwamm und saugte alles auf, was sie hörte, vor allem die Dinge, die nicht für ihre Ohren bestimmt waren.

»Auf welcher Grundlage denn?«, flüsterte Molly zurück. »Niemand wird dir Leni wegnehmen. Und jeder Tag, der verstreicht, arbeitet für dich. Bald bekommst du die neuen Papiere, du wirst schon sehen. Und dann ist sie ganz offiziell dein Kind!«

»Und wenn jemand aus dem Lager mich verpfeift?«

»Wer sollte das tun?« Molly klang gelassen. »Die meisten aus Reichenberg sind doch längst nach Fürstenwalde weitertransportiert worden. Und die wenigen, die noch hier sind, kennen wir kaum. Die wissen nichts über dich. Schwer vorstellbar, dass von denen eine Gefahr ausgehen soll.«

»Darf ich sie denn überhaupt ihren echten Eltern entziehen?«

»Welchen echten Eltern?« Molly lachte bitter auf. »Meinst du damit etwa jene Unmenschen, die sie hilflos und unversorgt zurückließen, während sie sich aus dem Staub machten? Wer weiß, ob sie ihre Flucht überhaupt überlebt haben! In Chrastava wurde sie offiziell als Waisenkind geführt. Dafür muss es gute Gründe geben.«

»Leni ist ungefähr fünf. Dann müsste ich sie schon mit sechzehn bekommen haben …«

»Etwas früh, da gebe ich dir recht, aber durchaus möglich. Erinnerst du dich noch, wie du uns den Zugang zur Liebieg’schen Fabrik verschafft hast? Damals hast du rotzfrech behauptet, ich sei schwanger. Dabei waren wir noch nicht einmal sechzehn. Der Werkschutz hat es uns sofort abgenommen und meinen Vater benachrichtigt.«

Trotz ihrer Anspannung musste Eva nun lächeln. Dann aber wurde sie sofort wieder ernst.

»Sie könnten bei den Behörden in Prag nachfragen und in Budapest und in Reichenberg …«

»Budapest ist total zerstört. In Prag haben sie derzeit ganz andere Probleme zu lösen, das darfst du mir glauben! Und in unserem schönen Reichenberg, das nun Liberec heißt, ebenso. Niemand kümmert sich dort darum, ob eine gewisse Eva Menzel vor circa fünf Jahren ein uneheliches Kind zur Welt gebracht hat. Die Tschechen wollen nichts mehr von der Zeit der deutschen Besatzung wissen. Die stellen nämlich gerade ihren neuen Staat auf die Beine. Das ist das Einzige, was sie gerade interessiert.«

»Aber später …«

»Später sind aus deinen provisorischen Papieren dann ganz normale geworden. Und das war’s. Wer weiß, wohin es dich überhaupt verschlagen wird? Ist doch gar nicht gesagt, dass du auf Dauer in der sowjetischen Zone bleibst.«

Eva schwieg eine Weile.

Inzwischen fühlte sie sich wieder halbwegs gesund, obwohl ihre Brüste empfindlich geblieben waren und sie nicht mehr so wie früher auf dem Bauch schlafen konnte. Der Schmerz über den Verlust ihres Kindes war nicht vergangen, und das würde er auch nie mehr, solange sie lebte.



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