Maria, Mord und Mandelplätzchen 24 Weihnachtskrimis by Michelle Stöger

Maria, Mord und Mandelplätzchen  24 Weihnachtskrimis by Michelle Stöger

Autor:Michelle Stöger [Stöger, Michelle]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426411650
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2015-04-26T16:00:00+00:00


Die Praxis hat sich kaum verändert. Sie hat das Gefühl, als wäre sie erst letzte Woche zur Tür hinausgegangen. Die Wände sind noch immer in einem hellen Pastellton gestrichen, impressionistische Drucke hängen an jeder Wand. Lediglich die Blumen wurden mittlerweile durch kitschigen Weihnachtsschmuck ersetzt. Sie versucht, die Kieferngestecke mit den kleinen roten Plastikkugeln zu ignorieren. Im Wartezimmer ist es drückend warm. Oder schwitzt sie vor Aufregung? Sie hat die letzten Nächte kaum geschlafen. Am Ende ihrer Kräfte hat sie heute Morgen in der Praxis ihrer Therapeutin angerufen. Zum Glück war gerade eine Patientin abgesprungen, sonst hätte sie erst im Februar einen Termin bekommen. Sie kann es noch immer nicht fassen. Es scheint der Wahnsinn dieser modernen Gesellschaft zu sein, in der Burnout und Depressionen an der Tagesordnung stehen, so dass Hilfesuchende auf Termine bei Psychiatern und Psychologen inzwischen Wochen bis Monate warten müssen. Sie schüttelt unbewusst den Kopf. Bis dahin kann es für Depressive wie sie längst zu spät sein.

»Frau Walter?« Die Stimme der Ärztin reißt sie aus ihren Gedanken. Fahrig springt sie auf, ihre Tasche fällt auf den Boden. Was mache ich hier, fragt sie sich zum wiederholten Male. Schon die letzten Jahre bei allen möglichen Therapeuten hatten keine Verbesserung ihres Krankheitsbildes gebracht. Aber sie musste die Ärztin aufsuchen, sie braucht dringend Nachschub an Antidepressiva. Tabletten, die für Schlaf sorgen und für einen Schleier des Vergessens.

»Bitte setzen Sie sich.« Ihre Therapeutin lächelt einnehmend. Sie ist zierlich, mindestens einen Kopf kleiner als sie selbst. Dennoch wirkt sie kraftvoll und agil. Die Fältchen unter ihren Augen sind im letzten halben Jahr etwas tiefer geworden. Das Leid der Menschen, die tagtäglich ihre Hilfe suchen, geht offensichtlich auch an ihr nicht spurlos vorbei.

»Frau Walter, es ist gut, dass Sie wieder da sind.« Die Ärztin liest in der vor ihr liegenden Krankenakte. Sie ist dick und vollgeschrieben. Sie schaut zu ihrer Patientin auf. »Mir war klar, dass Sie spätestens an Weihnachten wieder bei mir sitzen.«

»Ich hatte wieder eine Panikattacke«, antwortet sie automatisch. »Vor zwei Tagen. Seitdem kann ich nicht mehr schlafen. Die Bilder verfolgen mich ständig.«

»Die Bilder von damals?«

Sie nickt, wischt sich nervös über die Stirn. »Bitte, verschreiben Sie mir meine Medikamente, damit ich endlich wieder schlafen kann.«

»Damit ist es nicht getan, das wissen Sie, oder?« Der Blick der Ärztin geht ihr durch und durch. »Wir müssen gemeinsam an Ihrem Trauma arbeiten. Eine posttraumatische Belastungsstörung wie die Ihre kann man nicht nur mit Antidepressiva behandeln. Da hilft vor allem darüber reden, reden, reden.«

»Was soll das denn bringen? Das macht sie auch nicht wieder lebendig!«

»Frau Walter, Sie sind nicht tot! Ihrer Familie kann ich nicht mehr helfen, Ihnen schon!«

Anjas Finger zittern, als sie sich eine Strähne aus dem Gesicht streicht. »Ich möchte einfach nicht mehr daran denken.«

»Ich weiß, dass Sie diese Tragödie gern vergessen möchten. Aber allein schaffen Sie das nicht. Bitte lassen Sie sich von mir helfen.«



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