Maigret und der Treidler der Providence by Georges Simenon

Maigret und der Treidler der Providence by Georges Simenon

Autor:Georges Simenon [Georges Simenon]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Krimi
Herausgeber: Diogenes
veröffentlicht: 2010-11-20T23:00:00+00:00


Es war das Mädchen, das ihn bediente. Ihre Augen waren noch immer gerötet, und ihre Nase glänzte. Er betrachtete sie interessiert, und bevor er dazu kam, ihr eine Frage zu stellen, hatte sie sich vergewissert, daß man sie nicht hören konnte, und flüsterte: »Hat er sehr gelitten?«

Sie hatte ein derbes Gesicht, dicke Knöchel, kräftige rote Arme. Und dennoch war sie die einzige, die sich Sorgen um den eleganten Willy machte, vielleicht, weil er sie am Vorabend zum Spaß in die Seite gekniffen hatte – wenn er es überhaupt getan hatte!

Das erinnerte Maigret an das Gespräch, das er mit dem jungen Mann gehabt hatte, als dieser oben in seinem Zimmer halb ausgestreckt auf dem ungemachten Bett gelegen und eine Zigarette nach der anderen geraucht hatte.

Das Mädchen mußte an einem anderen Tisch bedienen. Ein Schiffer rief ihr zu:

»Du bist ja wie durchgedreht, Emma.«

Und sie versuchte zu lächeln, während sie Maigret komplizenhaft ansah.

Die Schiffahrt war seit dem Morgen unterbrochen. Sieben Kähne, darunter drei Motorschiffe, hatten gegenüber dem Café de la Marine angelegt. Die Frauen kamen, um Vorräte einzukaufen, und jedesmal ertönte das dünne Geläut der Ladentür.

»Wenn Sie zu Mittag essen wollen …« sagte der Wirt zu Maigret.

»Gleich!«

Und von der Schwelle aus betrachtete er die Stelle, an der noch am Morgen die ›Southern Cross‹ gelegen hatte.

Am Abend waren zwei Männer von Bord gegangen, gesund und wohlauf. Sie hatten den Weg zur Steinbrücke eingeschlagen. Wenn man dem Colonel glauben durfte, hatten sie sich nach einem Wortwechsel getrennt, und Sir Walter hatte seinen Weg auf der einsamen, schnurgeraden, drei Kilometer langen Straße fortgesetzt, die zu den ersten Häusern von Epernay führte.

Niemand hatte Willy lebend wiedergesehen. Als der Colonel mit einem Taxi zurückgekommen war, war ihm nichts Ungewöhnliches aufgefallen.

Kein Zeuge! Niemand hatte etwas gehört! Der Metzger von Dizy, der sechshundert Meter von der Brücke entfernt wohnte, behauptete zwar, daß sein Hund gebellt habe, aber er hatte sich nicht weiter darum gekümmert und konnte deshalb auch nicht sagen, um welche Zeit das gewesen war.

Über den Leinpfad mit seinen Wasserlachen und Schlammpfützen stapften zu viele Menschen und Pferde, als daß man dort noch irgendwelche Spuren hätte finden können.

Am vergangenen Donnerstag hatte Mary Lampson, ebenfalls gesund und munter und offenbar bei klarem Verstand, die ›Southern Cross‹ verlassen, auf der sie allein zurückgeblieben war.

Zuvor – nach Willys Aussage – hatte sie ihrem Liebhaber eine Perlenkette gegeben, den einzigen wertvollen Schmuck, den sie besaß.

Dann hatte sich ihre Spur verloren. Nirgends hatte man sie lebend wiedergesehen. Zwei Tage waren vergangen, ohne daß sie wiederaufgetaucht wäre.

Am Sonntagabend lag sie erwürgt unter dem Stroh eines Pferdestalles in Dizy, hundert Kilometer von ihrem Ausgangspunkt entfernt, und zwei Treidler schnarchten in der Nähe ihrer Leiche.

Das war alles! Auf Anordnung des Untersuchungsrichters hatte man die beiden Leichen in den Kühlraum des Gerichtsmedizinischen Instituts bringen lassen!

Die ›Southern Cross‹ war soeben in Richtung Süden abgefahren, nach Porquerolles, zum ›Petit Langoustier‹, in dem so manche Orgie stattgefunden hatte.

Maigret ging mit gesenktem Kopf um die Gebäude des Café de la Marine herum. Er trieb eine wütende Gans zurück, die sich ihm in den Weg stellte und den Schnabel zu einem heiseren Fauchen aufgerissen hatte.



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