Maigret 45 by Simenon

Maigret 45 by Simenon

Autor:Simenon
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-02-05T05:00:00+00:00


6

Der seltsame Vater

und die Skrupel Maigret

Während des Abendessens erzählte Madame Maigret von der Tochter ihrer Nachbarn auf derselben Etage, die zum ersten Mal beim Zahnarzt gewesen war und gesagt hatte … Ja, was hatte sie eigentlich gesagt? Maigret merkte gar nicht, daß er nur mit halbem Ohr hinhörte, daß er seine Frau ansah, deren Stimme dahinplätscherte wie eine heitere Melodie und die plötzlich innehielt und ihn fragte:

»Findest du es nicht lustig?«

»Stimmt schon, das ist sehr lustig.«

Er war mit seinen Gedanken woanders gewesen. Es kam zuweilen vor. In solchen Augenblicken sah er die Leute mit großen, etwas starren Augen an, und jene, die ihn nicht kannten, konnten nicht wissen, daß sie für diese Augen lediglich eine Art Wand oder Hintergrund waren.

Madame Maigret drang nicht weiter in ihn, ging ihr Geschirr spülen, während er es sich in seinem Sessel bequem machte und seine Zeitung auseinanderfaltete. Als das Geschirr fertig war, hörte man in der Wohnung nichts weiter als zuweilen das Rascheln der Seiten, die umgeblättert wurden, und zweimal vernahm man, wie draußen der Regen fiel.

Gegen zehn, als sie gewahrte, wie er die Zeitung wieder sorgsam zusammenfaltete, hoffte sie für einen Augenblick, daß sie nun schlafen gingen, jedoch ihr Mann suchte sich eine Illustrierte aus dem Stapel hervor und begann aufs neue zu lesen. Also setzte auch sie ihre Näharbeit fort und sagte dann und wann einen unbedeutenden Satz, um die Stille aufzulockern. Es machte nichts, ob er nun antwortete oder nicht oder ob er lediglich ein Brummen von sich gab: es war gemütlicher so.

Die Leute aus dem Stockwerk darüber hatten ihr Radio abgeschaltet und waren zu Bett gegangen.

»Wartest du auf etwas?«

»Möglicherweise kommt ein Telefonanruf.«

Féret hatte ihm versprochen, daß er Louises Mutter erneut vernehmen werde, sobald sie von Monte Carlo zurück wäre. Möglicherweise war Féret durch eine andere Arbeit aufgehalten worden. Am Abend vor dem Blumenkorso mochten sie dort unten wohl alle Hände voll zu tun haben.

Später fiel Madame Maigret auf, daß ihr Mann vergaß, die Seite zu wenden. Er hatte die Augen noch geöffnet. Lange wartete sie, bevor sie vorschlug:

»Sollen wir nicht doch zu Bett gehen?«

Es war elf Uhr vorüber. Maigret hatte nichts dagegen einzuwenden, nahm das Telefon mit, das er im Schlafzimmer anschloß und auf den Nachttisch stellte.

Sie entkleideten sich, begaben sich nacheinander ins Bad, verrichteten ihre Toilette. Als sie im Bett lagen, schaltete Maigret das Licht aus und drehte sich zu seiner Frau um, um ihr einen Kuß zu geben.

»Gute Nacht.«

»Gute Nacht. Versuche einzuschlafen.«

Immer noch dachte er an Louise Laboine und die anderen Personen, die nach und nach ins Spiel gekommen waren, heraus aus ihrer Anonymität, um ihr eine Art Geleit zu geben. Der einzige Unterschied zu vorhin bestand darin, daß diese Personen verschwommen und grotesk wurden, schließlich ineinander übergingen und eine Rolle spielten, die nicht ihre eigene war.

Noch später glaubte sich Maigret bei einer Schachpartie, jedoch war er derart müde, und die Partie dauerte bereits derart lange, daß er die Figuren nicht mehr unterschied, die Dame für den König hielt, die Läufer für die Springer, und nicht mehr wußte, wo er seine Türme postiert hatte.



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