Maigret - 57 - Maigret und der faule Dieb by Simenon Georges

Maigret - 57 - Maigret und der faule Dieb by Simenon Georges

Autor:Simenon, Georges [Georges, Simenon]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-06-27T04:00:00+00:00


FÜNFTES KAPITEL

In Wirklichkeit hatte er sich gleichsam heimlich und mit einigen Gewissensbissen eine Erholungspause gegönnt. Erstens, weil Olga, was die Würstchen betraf, nicht übertrieben hatte, dann weil der Beaujolais zwar noch ein wenig jung, aber doch recht fruchtig war, und schließlich, weil er in einer Ecke an einem Tisch, auf dem ein Papiertischtuch lag, ungestört hatte seinen Gedanken nachgehen können.

Die kleine dicke Wirtin, die oben auf dem Kopf einen grauen Haarknoten hatte, öffnete hin und wieder die Küchentür einen Spalt breit und warf einen Blick in den Schankraum. Sie trug eine Schürze von dem gleichen Blau, wie sie einst Maigrets Mutter getragen hatte, ein Blau, das an den Rändern dunkel blieb und zur Mitte hin, wo man es bei der Wäsche stärker gerieben hatte, heller wurde.

Es stimmte auch, daß die Kellnerin, eine große Braunhaarige mit farblosem Teint, mürrisch und mißtrauisch wirkte. Manchmal verkrampften sich ihre Züge, als ob sie plötzlich einen heftigen Schmerz spürte, und der Kommissar hätte schwören mögen, daß sie gerade eine Fehlgeburt hinter sich hatte.

In dem Raum saßen noch ein paar Arbeiter in Arbeitskleidung, einige Nordafrikaner und eine Zeitungsverkäuferin, die eine Männerjacke trug und eine Mütze auf dem Kopf hatte.

Wozu der Kellnerin oder dem bärtigen Wirt, der sich um den Wein kümmerte, Cuendets Foto zeigen? Von dem Platz aus, auf dem Maigret saß und der sicherlich des Schweizers Stammplatz gewesen war, hatte er – vorausgesetzt, er wischte alle drei Minuten die beschlagene Scheibe ab – die Straße und das Palais beobachten können.

Er hatte bestimmt mit niemandem gesprochen. Wie überall hatte man ihn für einen stillen Herrn gehalten, und in einem gewissen Sinn war er das ja auch.

Auf seine Art war Cuendet ein Künstler, und im Vergleich zu den Kerlen in der Rue Lafayette, an die Maigret auch dachte, erschien er ihm ein bißchen altmodisch, genauso wie dieses Lokal, das gewiß bald einem helleren Restaurant mit Selbstbedienung Platz machen würde.

Maigret hatte andere Einzelgänger gekannt, darunter vor allem den berühmten Commodore, der ein Monokel und eine rote Nelke im Knopfloch trug, nur in Luxushotels abstieg und mit seinem weißen Haar so würdig wirkte, daß man ihn nie auf frischer Tat hatte ertappen können.

Er hatte nie im Gefängnis gesessen, und man wußte nicht, wie er geendet hatte. Hatte er sich unter einem neuen Namen aufs Land zurückgezogen? Oder hatte er seine alten Tage auf einer sonnigen Insel im Pazifik verbracht? War er von einem anderen Verbrecher ermordet worden, dem sein Geld ein Dorn im Auge war?

Es gab auch damals schon organisierte Banden, aber sie arbeiteten auf eine andere Weise, und vor allem stammten alle ihre Mitglieder aus Verbrecherkreisen. Noch vor zwanzig Jahren zum Beispiel hätte Maigret bei einer Affäre wie der in der Rue Lafayette sofort gewußt, in welchem Viertel, ja in welchem Bistro, in dem nur üble Subjekte verkehrten, er die Täter suchen mußte.

Damals konnten sie kaum lesen und schreiben, und ihr Beruf stand ihnen im Gesicht geschrieben.

Jetzt waren es Fachleute. Der Raubüberfall in der Rue Lafayette war wie die vorhergehenden minuziös vorbereitet worden, und es hatte eines unwahrscheinlichen



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