Maerchenmond - Das Buch zum Musical by Hohlbein Wolfgang und Heike

Maerchenmond - Das Buch zum Musical by Hohlbein Wolfgang und Heike

Autor:Hohlbein, Wolfgang und Heike [Hohlbein, Wolfgang und Heike]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: BASTEI LÜBBE
veröffentlicht: 2014-01-11T05:00:00+00:00


Es war ein anderes Schloss, ein anderer Tag und ein anderer Thronsaal, und doch kam Kim alles hier auf unheimliche Weise bekannt vor.

Als sie vor drei Tagen angekommen waren, hatte er angesichts der gläsernen Pracht Gorywynns stundenlang den Mund nicht mehr zubekommen, und selbst jetzt verging kaum ein Augenblick, in dem er nicht irgendetwas Neues und Aufregendes entdeckte. Gorywynn war im Wortsinne ein Juwel – ein Wunder aus verschiedenfarbigem Glas und Kristall, das voller glücklicher und stets fröhlicher Menschen, aber auch anderer Wesen war: Sprechende Tiere gab es und freundliche Fabelwesen, und eine ganze Menge Geschöpfe, von denen er noch nie zuvor gehört, geschweige denn, sie schon einmal gesehen hatte.

Und doch hatte er erst hierher in dieses Turmzimmer kommen müssen, um zu begreifen, was Gorywynn wirklich war.

Das Zimmer war groß, spärlich möbliert und hatte nur ein einziges schmales Fenster, das noch nicht einmal nötig gewesen wäre, denn durch die gläsernen Wände drang mehr als genug Sonnenlicht herein. Der Raum lag ungefähr zehn Meter über dem Boden in einem der kristallenen Türme Gorywynns. Kims Blick fiel weit über die blühenden Wälder und Wiesen rings um die gläserne Burg sowie den breiten, ruhig dahinfließenden Fluss, über den sie hergekommen waren.

So, wie dieser Anblick genau das Gegenteil der sterbenden Natur des Schattenreiches war, hatte Kim auch die Turmkammer sofort als das Spiegelbild des Thronsaales der Feste Morgon erkannt: auch wenn hier alles licht und fröhlich war statt aus schwarzem Stein und tausend Jahre altem Staub. Und obwohl an den Wänden statt düsterer Gemälde fröhliche Bilder hingen und bunte Wandteppiche anstelle barbarischer Waffen.

Einen Unterschied gab es jedoch, und darüber war Kim außerordentlich froh: Der unheimliche Spiegel fehlte genauso wie der bizarre Lavathron, auf dem er Boraas gesehen hatte. Stattdessen erhob sich in der Mitte des Raumes ein einfacher Stuhl, auf dem er sich jetzt niederließ. Auch seine beiden unterschiedlichen Reisegefährten waren bei ihm. Sie hockten beide auf dem Fußboden und starrten Löcher in die Luft. Kelhim gähnte ganz ungeniert.

»Der alte Schlapphut lässt sich heute aber mächtig Zeit«, sagte er, immer noch gähnend. Seit Priwinn den Zauberer so genannt hatte, hatte er offenbar Spaß an dieser Bezeichnung gefunden.

»Ja, ich frage mich auch, wo Themistokles so lange bleibt«, pflichtete ihm Gorg bei. Wenn auch nicht ohne einen gebührend missbilligenden Blick. »Er müsste längst hier sein.«

»Er hat gesagt, dass er etwas Wichtiges zu erledigen hat und wir hier auf ihn warten sollen«, überlegte Kim laut.

»Er wird schon kommen«, sagte Kelhim schmatzend. Er gähnte noch einmal ausgiebig, und Kim konnte einfach nicht mehr anders, als zu fragen: »Sag mal, hast du nicht gerade erst den halben Tag geschlafen und so laut geschnarcht, dass die Wände wackelten?«

Die letzte Bemerkung war übertrieben. Allerdings nicht sehr.

»Nur ein paar Stunden«, widersprach Kelhim und gähnte noch ausgiebiger.

»Vielleicht solltest du dir eine gemütliche Höhle suchen und in den Winterschlaf gehen«, schlug Kim spöttisch vor.

»Ich hatte eine gemütliche Höhle, bevor ein gewisser Jemand gekommen ist und mein ganzes Leben durcheinandergebracht hat«, erinnerte ihn Kelhim säuerlich, gähnte noch einmal und fuhr dann fort: »Und ich würde nichts lieber tun, als in den Winterschlaf zu gehen, aber hier ist immer Sommer.



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