Macht der Toten by Marcel Feige

Macht der Toten by Marcel Feige

Autor:Marcel Feige
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
veröffentlicht: 2012-08-31T22:00:00+00:00


Rom

Boris Garnier erhob sich trotz seines kranken Knies vom Stuhl. Sein Gesicht war eine von Schmerz und Wut zerfressene Grimasse. Zwischen den Zähnen presste er hervor: »Haben wir das gerade richtig verstanden?«

Auf dem Weg zurück zu dem wackeligen Holztisch entging de Gussa nicht, dass der Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre nicht für sich alleine sprach, sondern die anwesenden Würdenträger in seiner Feststellung mit einschloss. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass alle zustimmend nickten. In der Mitte des Raumes angekommen, blieb er stehen.

»Ja, Sie haben richtig verstanden. Ich habe mich geirrt.«

»Dabei haben wir von Anfang an gesagt, dass Sie sich auf dem Holzweg befinden.«

Da gab es nichts zu leugnen. »Ja.«

»Schön«, stellte Garnier zufrieden fest. »Dann ist das wenigstens geklärt.« Er räusperte sich. Seine Stimme bekam wieder einen bedrohlichen Klang. »Aber da ist noch etwas anderes, was uns Kopfschmerzen bereitet.«

Der Bischof sah ihn an. Ihm fiel auf, dass die restlichen Würdenträger erwartungsvoll zu Garnier aufschauten. Was wusste der Präfekt, was er den anderen bisher vorenthalten hatte?

»Sie haben Cato angesetzt.«

Es war keine Frage sondern eine weitere Feststellung, beinahe belanglos in den Raum geworfen. Aber sie platzte in die Runde wie eine Bombe. Ein Raunen erfüllte das Zimmer, Köpfe wurden entsetzt geschüttelt.

De Gussa war verblüfft. Woher wusste Garnier davon? Noch während sich hinter seiner Stirn die Frage formte, drang bereits die Antwort zu ihm durch: Lacie, dieser falsche Hund, hatte ein doppeltes Spiel getrieben. Er hätte es wissen müssen.

Doch daran war jetzt nichts mehr zu ändern. De Gussa beschloss, das Beste aus der Situation zu machen. Allerdings war er sich in dieser Sekunde nicht sicher, was in den Augen seiner Freunde schwerer wog: die Tatsache, dass er sich geirrt hatte, oder, dass er Cato für die Zwecke des Offiziums verpflichtet hatte. Er gestand: »Ja, ich habe Cato eingesetzt.«

Nach wie vor war es nur Garnier, der sprach: »Nicht zum ersten Mal, oder?«

Sicherlich hatte Lacie längst alles preisgegeben, es würde seine Position nicht verbessern, wenn er log. »Nein.«

Garnier sog geräuschvoll die Luft ein. Seine Wangen blähten sich auf. »Wenn bekannt wird, dass…«

De Gussa wehrte entschieden ab. »Das wird es nicht.«

»Was macht Sie so sicher?« Der Präfekt setzte ein mitleidiges Lächeln auf. »Irren Sie sich etwa nie?«

De Gussa schwieg betreten.

Garnier fragte: »Wie konnten Sie nur?«

Es klang, als tadelte er einen kleinen Jungen, der sich über die Anweisungen seiner Eltern hinweggesetzt hatte. De Gussa wollte sich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen. »Es war eine Notwendigkeit.«

»War es das?«

»Ich tat, was ich für richtig hielt.«

»Was ist richtig?« Garnier schlug mit der Hand auf den Tisch. Die Umsitzenden zuckten zusammen. »Werter Bischof, können Sie mir das sagen?«

Es half nichts. Er würde zu Kreuze kriechen, seinen Fehler eingestehen müssen: »Ich dachte, dass…«

»Halten Sie den Mund!«, fuhr ihn der Präfekt an, und im dämmrigen Licht der Lampen wirkte er, als wachse er über sich hinaus. Nichts deutete darauf hin, dass seine Beine ihn nicht mehr trugen, dass er noch vor wenigen Tagen unbedingt ins Krankenhaus hätte eingeliefert werden müssen.

»Ich glaube nicht, dass Sie das Recht haben, mich…«

»Sie, Bischof, sollten Ihre Worte zügeln.



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