Möwenschrei und Meuchelmorde by Regine Kölpin (Hrsg.)

Möwenschrei und Meuchelmorde by Regine Kölpin (Hrsg.)

Autor:Regine Kölpin (Hrsg.) [Kölpin, Regine]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-95764-305-6
Herausgeber: Hallenberger Media Verlag
veröffentlicht: 2015-05-03T16:00:00+00:00


In der Orangerie des Conversationshauses hatten die Frauen des Heimatvereins die Tische gedeckt. Retter und Gerettete mussten wieder zu Kräften gebracht werden. Vorher zündete Kapitän Linneker seine Pfeife an und ließ sich in einen weichen Sessel fallen, gleich neben Johann Friedrich Rass.

»Ich muss mit Ihnen reden«, sagte Linneker, der glänzend Deutsch sprach und dessen Akzent nur ab und zu hören war, nämlich dann, wenn R oder W die britische Herkunft auf vornehme Weise verrieten.

Fidi wandte ihm sein rundes Gesicht zu und fuhr sich mit der flachen Hand über die hohe Stirn. Ihm war von Beginn an klar gewesen, dass der Engländer ein Geheimnis mit sich führte. Mal hören, was er nun ausplaudert, dachte Fidi und sagte: »Nur zu, Mister Linneker. Nur zu. Reden Sie.«

Linneker nahm die Mütze vom Kopf, sog leicht schmatzend an der Pfeife und setzte an: »Sie haben es durch meine bisherige Zurückhaltung sicher geahnt. Wir haben eine besondere Fracht an Bord. Nichts ist mit Weizen.« Erneut zog Linneker an der Pfeife. Den blaugrauen Qualm blies er aus dem Mundwinkel in den Saal, aus dem das Geklapper mit Tellern und Tassen immer lauter wurde.

»Ich bin gespannt.«

»Die Lavinia ist im Auftrag der englischen Krone unterwegs nach Hamburg, wo sie drei weitere Passagiere aufnehmen soll. Von dort aus geht es weiter …«, er räusperte sich und machte eine kurze Pause, »von dort aus sollte es dann eigentlich weitergehen. Richtung Gambia.« Erneut machte der Kapitän eine Sprechpause und wuchtete sich aus dem Sessel. »Also, wir haben Gold an Bord. Und zwar eine beträchtliche Menge. Es handelt sich um 180 Goldbarren und 580 Stück Silberbarren. Eine äußerst kostbare Ladung. So etwas wie ein Schatz. Vielleicht können Sie jetzt verstehen, warum ich mit dem Verlassen des Schiffes zunächst gezögert habe.«

Fidi stemmte sich ebenfalls aus dem Sessel, schaute gedankenverloren zur Saaldecke und kratzte sich am Hinterkopf. Dann machte er einen Schritt auf Linneker zu und lächelte: »Herr Kapitän. Ich hoffe, der König ist Ihnen ob dieses Missgeschicks nicht gram. Ich für meine Person jedenfalls hatte mit vielem gerechnet; zum Beispiel mit Waffen. Aber Gold, Mister Linneker. Das hatte meine Fantasie nicht auf Lager.«

»Nun ziehen Sie die Sache bitte nicht ins Lächerliche, vor allem jetzt nicht, wo Sie genau wissen, dass ich auf Sie angewiesen bin. Tun Sie mir lieber einen Gefallen: Unterrichten Sie Ihre Rettungsmannschaft und verpflichten Sie sie zu äußerster Verschwiegenheit. Die Ladung hat einen Wert von rund 7,5 Millionen Reichsmark. Sie müssen mir beim Löschen der Fracht helfen, sie muss auf ein anderes Schiff und in ein paar Tagen weitertransportiert werden. Man wird uns die Mercedes, eine stolze Brigg, schicken.«

Fidi Rass kniff die Augen zusammen und warf Linneker einen ebenso versöhnlichen wie freundschaftlichen Blick entgegen. Dann gab er ihm einen leichten Klaps auf den Ärmel, zeigte zu den Tischen, wo die Seemänner bereits zu essen begonnen hatten, und sagte: »Jetzt stärken wir uns erst einmal und dann überlegen wir, wie wir es machen. Morgen bei Sonnenaufgang geht’s los.«



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