Männer wie Männer, Frauen wie Frauen by Vartio Marja-Liisa

Männer wie Männer, Frauen wie Frauen by Vartio Marja-Liisa

Autor:Vartio, Marja-Liisa [Vartio, Marja-Liisa]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Insel Verlag
veröffentlicht: 2015-05-17T16:00:00+00:00


10

Sie stand am Fenster. Das Stehen war wie ein Stehen im Schlaf, und das Schauen war wie ein Schauen im Schlaf: Zwei Apfelbäume, die Wand der Speicherhütte, die Sense an der Wand. Sie hatte die Sense angesehen und dabei drei Geräusche gehört.

Erst hatte die Tür geknallt. Die Mutter kam herein.

Dann war lautes Geklapper von Geschirr zu hören, und schließlich vernahm sie eine Frage. Sie war jedoch so in ihr eigenes Sein vertieft, dass sie nicht antwortete.

Stille trat ein.

Jetzt ist die Mutter hinter mir stehen geblieben.

Und sie wusste um die Bedeutung der Stille. Sie bedeutete, dass die Mutter sah. Sie hielt nicht einmal die Luft an, wollte nicht aufhalten, was nun herauskommen musste.

Sie drehte sich um und wusste in diesem Umdrehen, was sie sehen würde: starrende Augen und einen Mund, der offen stand, aber keinen Ton herausbrachte.

Ruhig blickte sie zurück, dann wieder aus dem Fenster.

»Leena, was ist eigentlich mit dir?«

An der Wand tickte die Uhr, sie versuchte sich zu entsinnen, wo der Vater und die Schwester jetzt waren. Dann gab sie sich selbst die Antwort: Der Vater war im Dorf und Riitta schwimmen.

»Was ist mit dir? Sag, was mit dir ist.« Das war die Mutter. Die Mutter fragte etwas, sie vernahm es wie von weit her, und hörte sich selbst fragen, was die Mutter meinte.

»Was ist es? Ist es wahr?«

Die Stimme der Mutter war heiser, als habe sie Husten.

»Was?« Das war ihre eigene Stimme, sie hörte sich schon zum zweiten Mal fragen, da keine Antwort gekommen war.

Dann hörte sie hinter sich Geschluchze, und Widerwille stieg in ihr auf, als habe man ihren Schlaf gestört, als habe man sie gewaltsam aufgeweckt.

Die Stimme der Mutter. Sie wiederholte etwas, wiederholte Du lieber Gott.

»Was soll das Gewimmer?«, tönte die eigene Stimme.

Die Laute hinter ihrem Rücken waren schrill geworden und drängten sie, etwas zu sagen.

»Sag, sag – was soll ich denn sagen?« Sie stellte fest, dass sie dasselbe sagte wie einmal nachts, als sie spät nach Hause zurückgekehrt und die Mutter ins Zimmer gekommen war und sie unter Tränen bedrängt hatte, ihr zu verraten, wo sie gewesen sei.

Sie hörte ihre Herzschläge. Das Herz begann schneller zu schlagen, und sie dachte: Ich werde nervös, jetzt werde ich nervös.

Aber Angst hatte sie überhaupt keine, jetzt, wo das eintrat, was sie die ganze Zeit gefürchtet hatte. Es war alles einerlei. Und sie verspürte den Drang zu lachen, der Mutter ins Gesicht zu lachen, gehässig zu sein. Jeden zu schlagen, der ihr jetzt nahe kam.

Die Mutter wand sich und lehnte sich mit dem Rücken an das Betthaupt. Das war ihre Mutter, die dort stand, die sich wie eine Irre benahm. In ihr brodelte Abscheu auf; die Stimme, die vom Bett her zu hören war, sog sich in ihr Bewusstsein wie eine ekelhafte Flüssigkeit. Sie verabscheute diese auf der Bettkante sitzende alte Frau, deren magere Oberschenkel lächerlich gespreizt waren und deren Körper und Kopf sich vor- und zurückwiegten. Sie hörte wieder ihre eigene Stimme, die sich angewidert und verächtlich fragte, warum die Mutter fragte, wo sie es doch schon wusste.

»Du lieber



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