Lizzi 01 - Lizzis letzter Tango by Marschall Anja

Lizzi 01 - Lizzis letzter Tango by Marschall Anja

Autor:Marschall, Anja [Marschall, Anja]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-7466-3163-9
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2019-05-29T16:00:00+00:00


27

Langsam neigte sich der Tag dem Ende entgegen. Bald würde die Sonne ein letztes Mal für Lizzi in der Residenz untergehen. Mit geschlossenen Augen stand sie auf dem Balkon, horchte auf das dumpfe Stampfen der großen Containerschiffe, lauschte dem Rauschen des Windes in den Bäumen.

Im Wohnzimmer hinter ihr standen zwei Koffer. Mehr brauchte sie nicht, wenn sie morgen früh die Residenz verlassen würde. Alles andere war unwichtig und konnte hierbleiben.

Von Jessica an der Rezeption hatte sie sich die Telefonnummer der Bahnhofsmission geben lassen.

Eine letzte Nacht in ihrem Bett wollte sich Lizzi aber noch gönnen.

Unten sah sie Frau Alberding-Wischenberg gestenreich über den Rasen staksen, während die Gruppe von Kruger International hinter ihr herlief. Sie marschierten auf den festlich beleuchteten Pavillon zu, wo gleich der offizielle Empfang für die Geldgeber stattfinden sollte. Alle Bewohner des Hauses waren dazu eingeladen. Lizzi selbstredend nicht. Doch auch Jens Jessen schien nicht auf der Gästeliste zu stehen. Er saß im Rollstuhl am Rand des Gartens unter dem stattlichen Ahorn. Neben ihm las seine Pflegerin aus einem Buch vor, wie sie es letztens auch schon getan hatte.

Lizzi dachte an Andreas Brief. Sie seufzte. Bevor sie die Residenz verließ, wollte sie noch versuchen, mit Jessen zu reden. Auch wenn das Kind es nicht verdient hatte, war es doch ihre Tochter. Lizzi ging hinein, band ihr Kopftuch um, zog den Mantel über und schloss leise die Appartementtür hinter sich.

Die mächtigen Bäume warfen lange Schatten auf den frischgemähten Rasen. Festlich gekleidete Senioren strömten zu dem Pavillon, der am anderen Ende des Parks stand.

Lizzi blieb kurz vor einer akkurat geschnittenen Buchsbaumhecke hinter der Terrasse stehen, wo sie erst letzte Woche die blau-gelbe Blüte eines Stiefmütterchens entdeckt hatte. Mittendrin und sicherlich nicht gewollt, hatte das kleine Ding den Umständen getrotzt. Nun war das Blümchen fort. Wahrscheinlich hatte es nicht zum Haus gepasst und wegen der Geldgeber weichen müssen. Genau wie Lizzi.

Langsam ging sie zu dem Mann im Rollstuhl hinüber, an dessen Seite die Pflegerin noch immer vorlas. Der Wind trug ihre sanfte Stimme zu Lizzi. Jessen schien zu schlafen. Den Kopf leicht nach vorn geneigt, so dass der Hut ein wenig schief saß, zuckten nur ab und zu die Hände in seinem Schoß.

Als Lizzis Schatten auf die lesende Frau fiel, schreckte diese hoch. »Was wollen Sie hier?«, rief sie. Sie sprang auf, um sich schützend vor Jens Jessen zu stellen. Das Buch war ihr vom Schoß gerutscht. Lizzi sah noch, dass es die Geschichte der englischen Gärten von Hans von Trotha war.

»Ich möchte gern ein, zwei Worte mit Herrn Jessen sprechen. Es geht um die Bank … und meine Tochter.«

Erschreckt blickte die Frau Lizzi an. Dann begann sie zu zetern. »Man hat uns absolute Diskretion zugesichert! Niemand sollte erfahren, dass Herr Jessen hier ist! Woher wissen Sie das?« Mit jedem Wort drängte sie Lizzi weiter von dem Mann im Rollstuhl fort, der sich zu regen begann. »Ich werde diesen Vorfall melden!«

Der Mann wurde unruhiger, eigenartige Laute kamen aus seinem Mund, was die Frau noch nervöser machte.

»Nun mal langsam mit den jungen Pferden«, versuchte Lizzi sie zu beruhigen.



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