Lisa geht zum Teufel (German Edition) by Tessa Hennig

Lisa geht zum Teufel (German Edition) by Tessa Hennig

Autor:Tessa Hennig [Hennig, Tessa]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-04-11T17:00:00+00:00


Kapitel 10

Zu dumm, dass Marbella keinen eigenen Bahnhof hatte. Zuerst mit dem Bus nach Málaga zu fahren, um von dort aus mit dem Schnellzug nach Madrid zu gelangen, war relativ umständlich. Lisa war froh, endlich im Abteil zu sitzen. Eine dreistündige Fahrt lag vor ihnen, von der sich Lisa erhoffte, dass sich Rafaels gedrückte Stimmung etwas bessern würde. Bisher hatten sie sich auf dem Weg zum Bahnhof überwiegend angeschwiegen. Im Zug dann endgültige Funkstille, nachdem sie Rafael eines der Bocadillos, ein belegtes Brötchen, das sie am Bahnhofskiosk gekauft hatte, angeboten hatte. Gerade mal einen Dank rang er sich ab. Weil sie das Abteil für sich allein hatten, stellte Lisa sich schon darauf ein, in meditativer Stille zu verharren oder dem hypnotischen Rattern der Waggonräder zu lauschen.

»Schön«, brachte sie mit Müh und Not zwischen den letzten Bissen hervor, als der Zug durch ein blühendes Tal fuhr, das mit Mohnblumen und Ginster übersät war – abertausend rote und gelbe Tupfer in sattem Grün aus Gräsern, Sträuchern und vereinzelten Baumgruppen. Rafael blickte nur kurz aus dem Fenster. Ein in der Ferne türkis leuchtender Stausee, an dessen Ufer lachsfarbene Pflanzen wucherten, wäre auch einen Kommentar wert gewesen, doch Rafaels ernster Blick verriet, dass er keine Lust hatte, sich mit der Wegstrecke zu beschäftigen, auch wenn während der ersten Kilometer vom Meer hinauf in die Berge ein Natur gewordenes Landschaftsgemälde nach dem anderen an ihnen vorbeizog. Aber diese Ablenkung fand bald ein jähes Ende. Eine schier endlose monotone Einöde aus in Reih und Glied stehenden Olivenbäumen, die sich über Bergkuppen bis hin zum Horizont erstreckten, lag auf halber Strecke nach Madrid vor ihnen. Kein Wunder, dass der spanische Dichter Antonio Machado diese Gegend als »gekämmtes Land« bezeichnet hatte. Auch wenn Lisa Oliven in Salaten mochte und wie viele Spanier gelegentlich in Olivenöl getränktes Brot ohne weitere Beilagen aß, reichte ihre Liebe für diese Frucht nicht aus, um dem anhaltenden Beige und Grün noch viel länger etwas abgewinnen zu können. Die Monotonie der Landschaft bot zu viel Raum, um an die bevorstehende Begegnung mit Madrid und Felipe zu denken. Rafael hingegen schien förmlich aufzublühen. Sein Blick klebte geradezu am Fenster.

»Weißt du, wie man feststellt, ob eine Olive reif ist?«, fragte er unvermittelt und sah sie zum ersten Mal seit ungefähr einer halben Stunde direkt an.

»Keine Ahnung«, erwiderte Lisa und stellte fest, dass es Rafael tatsächlich gelungen war, ihr eben eingeschlafenes Interesse an Oliven zu wecken.

»Sie müssen außen violett und innen weiß sein. Durchgängig helles Fleisch, das sich leicht vom Kern lösen lässt. Dann ist eine Olive perfekt«, schwärmte er und sah hinaus auf die Felder.

»Ist das wirklich so wichtig bei einer Salatbeilage?«, fragte sie mehr aus Interesse als aus Höflichkeit.

»Für einen Salat vielleicht nicht. Für die Gewinnung von Öl schon. Das grüne Gold Spaniens …«, sagte er so bedeutungsvoll, dass Lisa sich darüber amüsierte.

»Warum nur neigt ihr Spanier dazu, einfache Dinge pathetisch zuzuspitzen?«

»Zuspitzen? Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es so viele Olivenbäume wie in Spanien. Hier werden jährlich fast eine Million Liter Öl produziert. Rechne selbst: Für einen Liter Virgen zahlst du hundertfünfzig Euro und mehr.



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