Linksextremismus in Deutschland. Eine kritische Bestandsaufnahme by Pfahl-Traughber Armin
Autor:Pfahl-Traughber, Armin [Pfahl-Traughber, Armin]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3
Tags: Sachbuch, Linksradikale, Linksextremismus, Politik, Deutschland, Extremismus, Linksfaschismus
Herausgeber: Springer VS
veröffentlicht: 2014-01-04T19:05:26+00:00
Organisationspolitischer Linksextremismus
regelmäßig die Verfassungsschutzberichte über die Aktivitäten der Gruppe, die danach um die 10.000 Anhänger und Mitglieder verfügt haben soll. Die hiermit einhergehende hohe Bedeutung und die politische Wirkung an den Universitäten führten indessen nicht zu einer ausführlicheren Analyse von journalistischer oder wissenschaftlicher Seite.
Nach den bekannten Informationen geht die Gründung der MG auf linksextremistische Studentengruppen zurück. Sie kamen im Kontext der Achtundsechziger Bewegung an der Universität München auf und betätigten sich in den 1970er Jahren unter der Bezeichnung „Rote Zellen“ (ROTZ) vor allem in Bayern. Aus ihnen entstanden an verschiedenen Hochschulen eigene Gruppierungen, die seit 1980 unter der Bezeichnung „Marxistische Gruppen“ durch Aktionen, Bücherti-sche und Veranstaltungen auf sich aufmerksam machten. Ideologisch berief man sich nicht auf einen bestimmten Nachfolger von Marx oder ein spezifisches System des „real existierenden Sozialismus“, sondern nur auf Marx’ ökonomisches Hauptwerk „Das Kapital“. Aus dessen Interpretation leitete die MG ihre Auffassungen von der Notwendigkeit der Revolution gegen den Kapitalismus und der Zerschlagung des Staates ab. Das revolutionäre Subjekt für solche Handlungen, so das Selbstverständnis, könne aber nicht das manipulierte Proletariat sein.
Stattdessen setzte man auf Akademiker und Intellektuelle, womit sich auch der Agitationsschwerpunkt an den Universitäten erklärt. Dort traten MG-Aktivisten als Diskussionsteilnehmer in Seminaren und Vorlesungen auf und verteilten ihre Flugblätter und Zeitungen in Hörsälen und Mensen. Mit einer aggressiv gehaltenen und rein destruktiven Kritik wandten sie sich nicht nur gegen die abgelehnte „bürgerliche Wissenschaft“, sondern auch gegen andersdenkende linke Hochschullehrer.
Darüber hinaus versuchte man, neue Anhänger und Mitglieder durch regelmäßige „Teach Ins“ oder über den Verkauf von weiteren Publikationsorganen zu gewinnen.
Zwar bejahte die MG den Leninismus nicht als Ideologie, gab sich selbst aber eine hierarchische und straffe Struktur. Selbst die Einbindung in die Organisation erfolgte nur schrittweise über die Rangstufen Sympathisant, Kandidat und Mitglied.
Die etwa auch bei manchen K-Gruppen feststellbare konspirative Vorgehensweise nahm bei der MG besonders stark ausgeprägte Formen an.
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Gruppe „GegenStandpunkt“
1991 veröffentlichte das Bundesministerium des Innern die erwähnte Broschüre mit dem Titel „Die ,Marxistische Gruppe‘ (MG). Ideologie, Ziele und Arbeitsmethoden eines kommunistischen Geheimbundes“, worin die Organisation als „marxistische 10.2
Gruppe „GegenStandpunkt“
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Loge“ auf dem „Marsch durch die Institutionen“ beschrieben wurde. Die von der Gruppe an Hochschulen gewonnenen Anhänger und Mitglieder rückten laut dieser Darstellung nach dem Ende ihres Studiums in wichtige Positionen in Gesellschaft und Staat vor und bildeten dort Netzwerke und Seilschaften im eigenen politischen Interesse. Nach der Publikation der Broschüre erklärte die MG offiziell ihre „Auflö-
sung“, sah sie darin doch einen Ausdruck von staatlicher Repression im Sinne eines „Verfolgungswahns“. Binnen kurzer Zeit schloss man die einschlägigen Buchläden, stellte die eigenen Publikationsorgane ein und führte auch keine öffentlichen Veranstaltungen mehr durch. So entstand zunächst der Eindruck, die MG-Aktivisten hätten sich ins Privatleben zurückgezogen.
Bereits 1992 gründeten die ehemaligen Ideologen der Gruppe indessen ein neues Publikationsorgan, das fortan vierteljährlich unter der Bezeichnung „GegenStandpunkt“ (vgl. u. a. BfV 1995, S. 1–4; Fraude 2003) erschien. Die Autoren-bzw. Herausgeberschaft ehemaliger MG-Führungskräfte und -Vordenker wie Peter Decker, Theo Ebel, Herbert Ludwig Fertl oder Karl Held standen hierbei ebenso für eine Kontinuität zum bisherigen politischen Engagement wie die inhaltliche Ausrichtung des Publikationsorgans in einem elitären, rechthaberischen und zynischen Sinne.
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