Lily und der Oktopus by Rowley Steven

Lily und der Oktopus by Rowley Steven

Autor:Rowley, Steven [Rowley, Steven]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 2017-03-15T12:39:46+00:00


TINTE

1.

Es ist schon spät, viel später als Lilys gewöhnliche Bettzeit. Heute muss ich allerdings nicht nach ihr suchen, weil sie im Flur einen fürchterlichen Krach veranstaltet. Sie bellt und knurrt und führt sich auf wie verrückt. Als ich zu ihr laufe, hat sie den Kopf gesenkt wie zum Angriff, und ihre Nackenhaare sind gesträubt. Sie starrt in die Ecke zwischen Schlafzimmer und Badezimmer und wirkt vollkommen verstört und verängstigt.

»Mäuslein! Maus! Was ist los?«

Sie reagiert nicht, sondern bellt die Ecke an, als sei da eine ganze Armee im Anmarsch. Als ich mich bücke, um Lily hochzuheben, sagt sie etwas, das mir das Blut in den Adern gefrieren lässt.

DIESES! LAMA! STRANDBALL! SIEBEN! PARLAMENT! KASSEROLLE! ANTARKTIS! PYJAMA!

Was zum …

Wir starren uns entsetzt an. Es ist wie in einem Horrorfilm, wenn jemand anfängt in Zungen zu sprechen und es plötzlich totenstill wird im Raum. Ich rechne beinahe damit, dass sich ihr Kopf gleich dreht wie bei einer Eule und dass mein Hund dann anfängt, Erbsensuppe zu erbrechen. Allerdings weiß ich genau, dass Lily nicht von Dämonen besessen ist – nur von einem einzigen elenden glitschigen Scheißvieh mit acht Tentakeln. Ich nehme sie rasch hoch und drücke sie an mich, um sie zu beruhigen. Aber sie zappelt und windet sich in alle Richtungen, so dass sie beinahe runterfällt. Nach einem Weilchen beruhigt sie sich und kommt offenbar aus diesem Wahnzustand raus. Dann beginnt sie in meinen Armen unkontrolliert zu zittern.

»Fischchen, was um alles in der Welt war das?«

Lily dreht den Kopf Richtung Esszimmer, dann Richtung Schlafzimmer.

»Ich sehe es nicht«, sagt sie.

Das erschreckt mich furchtbar. »Was siehst du nicht?« Ich schalte das Flurlicht an.

Langes Schweigen. »Ich sehe gar nichts.«

Ich starre auf den Oktopus. »Was hast du getan?«

Das Vieh blickt gelangweilt. »Ist dir mal aufgefallen, dass es in diesem Haushalt ein stereotypes Muster gibt? Und zwar, dass man als Erstem immer mir die Schuld gibt.«

»Was hast du getan?«

»Was soll ich getan haben? Mit ihr, oder wie?«

Bislang konnte ich mich beherrschen, aber da Lily ohnehin in so miesem Zustand ist, haue ich den Oktopus. Ich bereue es sofort, aber Lily scheint es nicht zu bemerken.

»Aua!« Einer der Tentakel reckt sich hoch und streicht über die getroffene Stelle. »Ich hab den Tintensack entleert. Jetzt zufrieden?«

»Sie kann nichts mehr sehen!«

»Das ist an sich Sinn und Zweck der Entleerung eines Tintensacks.« Dass der Oktopus angesichts meiner Rage so entnervend ruhig bleibt, hasse ich besonders an dem Vieh.

»Und da fragst du dich noch, weshalb man dir die Schuld gibt.«

»Ah, hört, hört. Das hab ich wohl verdient.« Ich verabscheue seinen Sarkasmus.

Und wünsche mir sehnlichst, ich könne dem Vieh so richtig eine reinhauen, aber das geht leider nicht, weil ich Lily damit noch mehr gefährden würde. Deshalb gebe ich ihr einen Kuss auf den Hals, auf der oktopusfernen Seite.

»Hast du kein Zuhause?«, bemerkt das Vieh.

Ich stelle mir vor, wie ich mir einen der Tentakel greife, ihn dem Oktopus um den Hals wickle und ihn damit würge, bis er tot ist und ihm die widerliche Zunge aus dem Maul hängt – so wie Prinzessin Leia es mit Jabba macht.



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