Liebe, Leid und Tod by Eugen Drewermann

Liebe, Leid und Tod by Eugen Drewermann

Autor:Eugen Drewermann [Drewermann, Eugen]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Patmos Verlag
veröffentlicht: 2017-04-21T16:00:00+00:00


Tafel 14a: Tizian: Diana und Aktaion, 1556/1559

Überhaupt stellt das Motiv von der Schönen im Bad ohne Zweifel eine Wunschphantasie aller Männer dar, und so ist es kein Wunder, daß die Malerei sich mit Vorliebe dieses Sujets angenommen hat. Insbesondere der Renaissancemaler Vecellio Tiziano (Tizian, um 1488–1576) hat zwei große Gemälde speziell zu dem Thema Aktaion und Diana (Artemis) im Bade hinterlassen. Zwischen 1556 und 1559 dürfte das Bild entstanden sein, das heute in der Schottischen Nationalgalerie in Edinburgh sich befindet (vgl. Tafel 14a)808 und das den Augenblick wiedergibt, als der junge Jäger, zu seiner eigenen Verwunderung, die Göttin und ihr Gefolge bei der Quelle überrascht. Abweichend von Ovid springen auf dem Gemälde die Nymphen keineswegs sogleich auf, um mit ihren Körpern den Leib der keuschen Diana vor dem Anblick Aktaions zu schützen, vielmehr sucht eine von ihnen, nach hinten eine Warnung ausrufend, ein riesiges rotes Tuch, das anscheinend zum Trocknen aufgehängt ward, zum Schutz über sich selber herabzuziehen; ähnlich versucht hinter ihr eine andere, die dem Betrachter bereits den Rücken zugewandt hat, sich in ein weißes Laken zu hüllen; fast neugierig blickend verbirgt sich eine weitere der Nymphen hinter einem Pfeiler aus rechteckigen Steinblöcken, den oben, wie eine Jagdtrophäe, der Kopf eines Hirschen ziert; wieder eine andere Nymphe sitzt auf dem mit schönen Reliefs von Nereiden geschmückten Brunnenrand und schaut eher verwundert als erschrocken auf den Jäger, der selber, wie zur Abwehr des Anblicks, der sich ihm bietet, die beiden Hände vorgestreckt hält, denen Pfeil und Bogen entglitten sind. Eine der Nymphen, die gerade dabei ist, die Beine Dianas mit einem Tuch abzutrocknen, ist in ihre Arbeit so sehr vertieft, daß sie den Auftritt Aktaions noch gar nicht bemerkt. Anders ihre Herrin, die ihr Antlitz hinter dem erhobenen Arm zu verbergen sucht und über deren mit einem silbernen Möndchen und mit Perlenkettchen verzierten Blondhaar gerade eine schwarze Sklavin, als die einzig Bekleidete, von hinten ein Tuch zu breiten sucht; ein bellendes Schoßhündchen kläfft den ungebetenen Gast an, doch eher als ein Symbol der inneren Aufgeregtheit der Göttin selbst als zu deren wirksamem Schutz. Insgesamt hat Tizians Darstellung die ganze Szene, die bei Ovid mit Absicht in eine Sphäre naturhafter Ursprünglichkeit getaucht ist, in ein quasi höfisches Ambiente gestellt, wo man eher einen amüsanten Verstoß gegen die Galanterie als eine tödliche Verletzung des Schamgefühls einer Göttin erwarten würde.



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