Liebe und andere Parasiten by Meek James
Autor:Meek, James [Meek, James]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-09T00:00:00+00:00
41
Am Vorabend von Vaters letztem Einsatz war Ritchie bei Tisch denkbar schlechter Laune gewesen, erinnerte sich Bec. Die Fransen bis über die Augen und die Gabel rechtwinklig in der Faust, hatte er sich das Essen in den Mund geschaufelt. Als Bec sich später beim Einbruch der Dunkelheit auf ihrem Zimmer die Wanderschuhe zuschnürte, hatte sie Ritchie »Faschist!« schreien und seine Tür zuknallen hören.
Sie streifte das Nachthemd über ihre Sachen und machte das Fenster auf. Die Luft roch nach Kastanienblüten, und das Rauschen des Flusses drang von der Schlucht am Fuà des Gartens zu ihr herauf. Sie legte sich mit einem Buch ins Bett, aber sie konnte nicht lesen. DrauÃen ertönte ein Eulenruf, und ein Plastikkästchen flog zum Fenster herein und kullerte über den Boden. Bec sprang aus dem Bett, schnappte es sich und huschte wieder unter die Decke. Sie machte das Kästchen auf. Es hatte einen Spiegel im Deckel wie ein Schminkset und drei Töpfchen mit Creme, schwarz, grün und braun. Sie hörte ihre Mutter kommen, klappte das Kästchen zu, versteckte es und zog sich die Decke fest um den Hals. Die Mutter schaute zur Tür herein und fragte, ob sie den Vater gesehen habe, und als Bec verneinte, meinte die Mutter, sie müsse jetzt schlafen. Sie küsste Bec, machte das Licht aus, ging hinaus und schloss hinter sich die Tür.
Bec starrte in die Dunkelheit vor dem Fenster. Je genauer ihre Augen die schwachen Schwarz- und Braunschattierungen wahrnahmen, umso mehr gewann das leere Viereck Substanz und Form. Was ihr wie eine bloÃe Ãffnung in die Sommernacht erschienen war, bauschte und verfestigte sich zu einer Gestalt, als würde die Luft gerinnen. Zwei körperlose Augen öffneten sich, deren WeiÃes so hell war, dass es zu leuchten schien wie der Mond. Sie schwenkten durch den Raum und blieben an Bec haften. Ein paar Zentimeter unterhalb der Augen blitzten zwei Zahnreihen auf, teilten sich und lieÃen eine Stimme durch.
»Du hast dich nicht getarnt«, sagte ihr Vater.
»Ich hatte keine Zeit«, sagte Bec. Sie stand auf und kam mit dem Kästchen zum Fenster.
»Du musst mit der Dunkelheit verschmelzen wie ein Panther«, sagte ihr Vater, nahm Bec das Kästchen aus der Hand und machte es auf. Durch das Fenster tupfte und rieb er seiner Tochter Tarncreme aufs Gesicht.
»Und die Augen?«, sagte Bec.
»Ein Panther hat auch keine schwarzen Zähne. Wir müssen unserer Beute eine Chance geben.«
Nachdem er Becs Gesicht und Hände zu seiner Zufriedenheit dunkel gefärbt hatte, hob ihr Vater sie aus dem Zimmer und setzte sie im Blumenbeet unter dem Fenster ab. Am anderen Ende des Hauses sah Bec das graue Licht des Fernsehers schwächer und heller werden.
»Alles klar?«, sagte ihr Vater. »WeiÃt du die Regeln noch?«
»Kein Geräusch machen. Niemanden zurücklassen.«
»Und?«
»Das warâs.«
»Sehr gut. Wenn wir den Wilderer finden, wartest du, während ich mich von hinten an ihn anschleiche.« Becs Vater hob eine kleine Pfeife hoch, die er an einer Schnur um den Hals hängen hatte, und blies hinein. Es gab einen dünnen, traurigen Ton. »Sobald du diesen Ton hörst, klatschst du in die Hände und schreist, um unseren Freund zu erschrecken, und dann schnapp ich ihn mir.
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