Leviathan 03 - Goliath - Die Stunde der Wahrheit by Westerfeld Scott

Leviathan 03 - Goliath - Die Stunde der Wahrheit by Westerfeld Scott

Autor:Westerfeld, Scott [Westerfeld, Scott]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-01-19T05:00:00+00:00


22. KAPITEL

Es sollten fünf Tage vergehen, bis der Himmel wieder aufgeklart war.

Der Sturm hatte die Leviathan über den Pazifik geweht und das Luftschiff weit nach Süden gebracht. Die Küste von Kalifornien breitete sich weit unter den Fenstern der Kadettenmesse aus. Ein paar weiße Klippen leuchteten in der Sonne, und dahinter lagen wogende Grashügel, die braune Flecken aufwiesen.

»Amerika«, sagte Bovril auf Aleks Schulter.

»Aye, richtig.« Deryn streichelte dem Tierchen das Fell und fragte sich, ob es das Wort einfach nur wiederholte, oder ob es tatsächlich verstand, dass es sich um einen neuen Ort mit einem eigenen Namen handelte.

Alek senkte den Feldstecher. »Sieht ziemlich wild aus, oder?«

»Hier vielleicht. Wir sind mitten zwischen San Francisco und Los Angeles. Zusammengenommen wohnen in beiden Städten fast eine Million Menschen!«

»Beeindruckend. Aber warum ist es dann so leer zwischen den Städten?«

Deryn zeigte auf die Karten auf dem Tisch. »Weil Amerika so brüllend groß ist. Ein Land, das so groß wie Europa ist!«

Bovril beugte sich auf Aleks Schulter vor und drückte die Nase ans Glas. »Groß.«

»Und wird immer mächtiger«, meinte Alek. »Wenn die in den Krieg eintreten, sind sie das Zünglein an der Waage.«

»Aye, aber in welche Richtung?«

Alek drehte sich um, und nun konnte man die frische Narbe auf seiner Stirn sehen. Inzwischen war die Farbe in sein Gesicht zurückgekehrt, und er klagte auch nicht mehr über Kopfschmerzen. Aber manchmal hatte er immer noch diesen dummen Blick in den Augen, als könnte er nicht recht glauben, dass die Welt um ihn herum real war.

Wenigstens hatte er nicht vergessen, dass Deryn ein Mädchen war. Ihn zu küssen hatte ihm das ein für alle Mal klargemacht.

Sie wusste noch immer nicht recht, warum sie ihn geküsst hatte. Vielleicht hatte das Tosen des Sturms eine ganz unsoldatische Leidenschaft in ihr geweckt. Oder vielleicht lag das an den Schwüren. Man musste sein Wort halten, auch wenn es zu nichts Gutem führte. Keine Geheimnisse mehr, gleichgültig welches … Das klang irgendwie furchterregend.

Natürlich hatten sie über den Vorfall keine weiteren Worte verloren. Es hatte keine Zukunft, Alek zu küssen. Er war ein Prinz und sie eine Bürgerliche, und sie hatte sich damit bereits in Istanbul abgefunden. Der Papst schrieb keine Briefe, mit denen schottische Mädchen, die sich als Jungs verkleideten, in Angehörige des Hochadels verwandelt wurden. Nicht in einer Million Jahre.

Aber wenigstens hatte sie ihn einmal geküsst.

»Die würden niemals die Waffen gegen die Briten erheben«, sagte Alek, »obwohl sie halbe Mechanisten sind.«

Deryn schüttelte den Kopf. »Aber Amerikaner sind nicht nur eine Mischung aus Mechanisten und Darwinisten, sie sind auch eine Mischung aus vielen Nationen. Es gibt dort eine Menge deutscher Einwanderer, die gerade vom Schiff gestiegen sind und dem Kaiser noch die Treue halten. Und unter denen bewegen sich viele Spione, möchte ich wetten.«

»Mr. Tesla wird den Krieg beenden, bevor das von Belang sein wird.« Alek reichte Deryn den Feldstecher und zeigte hinunter. »Auf den Klippen.«

Sie brauchte einen Moment, bis sie den Ankermast entdeckte, der aus einer eigenartigen Ansammlung von Gebäuden auf den Hügeln am Meer aufragte. Es handelte sich um eine kuriose Mischung von Stilen: mittelalterliche Burgen, baufällige Häuser, moderne Mechanistentürme, und alle erst halb fertig.



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