Letzte Reise by Anna Enquist

Letzte Reise by Anna Enquist

Autor:Anna Enquist
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Luchterhand Literaturverlag
veröffentlicht: 2014-02-20T16:00:00+00:00


»Laß uns einen kleinen Ausflug machen«, sagte er. »Das Wetter wird noch einige Tage schön bleiben. Wir könnten morgen nach Kew fahren und uns den Pflanzengarten ansehen. Das Schiff ist mehr oder weniger fertig, ich brauche nicht zur Werft, und ich möchte gern mal raus. Ich bitte um ein Boot, sie können uns hinrudern, dann brauchst du nicht in so einem holpernden Wagen zu sitzen.«

Ja, wieso eigentlich nicht, dachte sie. Über den Fluß gleiten, Sonne auf dem Wasser, Geschrei von Möwen und Säbelschnäblern über ihren Köpfen – wieso nicht?

Das Boot lag an dem kleinen Steg am Ende des Pfads zwischen den Gärten. Sechs Ruderer in roten Jacken standen dort und erwarteten sie. Elizabeth stieg ein, einen Moment verunsichert durch die schaukelnde Bewegung des Bootes. »Beine auseinander«, sagte James. »Mitbewegen. Lockere Knie. Setz dich mal hierhin, auf das Kissen.«

Er ließ sie auf der Bank hinten im Boot Platz nehmen, blieb selbst aber noch stehen, während die Ruderer das Boot abstießen und es in Bewegung setzten. Dann ließ er sich neben ihr nieder.

»So fahren wir immer an Land«, sagte er. »Ich gehe in einer Bucht vor Anker, wir lassen das Beiboot hinunter und rudern an den Strand. Genau wie jetzt.«

Geschwind glitt das Boot an Wiesen und Wäldern entlang, unter der Brücke hindurch, am Schloß vorbei, auf die Kuppeln und Kirchtürme Londons zu.

»Flut«, sagte James, »wir fahren mit dem Strom. Aber sie rudern auch gut. Es geht kaum Wind.«

Wie weiß der Ruderer, wohin er fährt, sinnierte Elizabeth. Die Männer saßen mit dem Rücken zur Bootsspitze und zogen sich verkehrt herum über den Fluß. Sie schauten vielleicht aus dem Augenwinkel ans Ufer, sie spürten vielleicht an den subtilen Temperaturunterschieden der Luft, ob sie offenem Wasser oder Land entgegenfuhren. Geheimnisse der Schiffahrt, von denen sie nichts wußte. Sie schlug die Augen nieder, um sich nicht von den sechs Ruderern angestarrt zu fühlen. Das Wasser hatte eine graubraune Farbe; wieder und wieder verschwanden die Ruderblätter darin, wurden unsichtbar und tauchten am Ende des Schlages wieder auf.

Das Boot glitt an Westminster Abbey vorüber und ließ das Getriebe der Stadt schon bald wieder hinter sich. Erneut fuhren sie an Weiden und Schilfgürteln entlang; James zeigte ihr die Kirchtürme von Clapham und Richmond in der Ferne. Sie ließ es geschehen, ließ die Stadt und das Land passieren, als bewegte sie sich nicht von der Stelle, und eine Riesenhand zerrte die Landschaft an ihr vorüber.

Sie legten an. Geschrei, triefende Ruder, ein Tau um einen Poller. James gab den Ruderern ein Trinkgeld. Kaum waren die Fahrgäste an Land gestiegen, verschwanden die Marinesoldaten in Richtung Wirtshaus. Nur einer blieb zurück, um das Boot zu bewachen und seinen Kameraden Bescheid zu geben, wenn sie wieder in Aktion treten mußten.



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